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Bali nach dem Anschlag
Die Dämonen werden besänftigt, doch viele Wunden bleiben offen

Auf Bali stehen die Betten leer. Nur ein Drittel der ansonsten üblichen Besucher wagt die Reise auf die „Insel der Götter“, das „Touristenparadies“, das durch den Terroranschlag seine Unschuld verlor. Wer allerdings im Reiseführer nachliest, wird feststellen, dass die Insel der Götter schon immer auch eine Insel der Dämonen war. Erst die Tourismusindustrie hat Bali zur Insel der Götter erhoben. Wer will schon bei Dämonen Urlaub machen und sich nun sogar einem Umfeld aussetzen, in dem der Terror zugeschlagen hat?
Das Auswärtige Amt empfiehlt, Bali zu meiden und auf touristische Reisen nach Indonesien zu verzichten. Noch weiter geht das Eidgenössische Department für Auswärtige Angelegenheiten (EDA), das infolge der erhöhten internationalen Spannungen ein Risiko weiterer Terrorakte nicht nur in den meisten Ländern Südostasiens, sondern auch auf dem indischen Subkontinent und in Nordafrika gegeben sieht.
Nach dem 11. September steigen viele Urlauber nur noch zögerlich in ein Flugzeug. Aber auch in Deutschland fühlen sich die Menschen bedroht. Die nächste Bombe kann überall explodieren. In der westlichen Welt schienen die Dämonen besiegt zu sein. Nach dem Ende des Kalten Krieges fühlten wir uns geborgen unter dem Schutz von Allianz, ADAC und TÜV, glaubten, die Risiken im Griff und die Bedrohungen aus der Welt geschafft zu haben.
Nun  bricht eine terroristische Gewalt über uns herein, die keine Grenzen kennt, und wir sind geschockt, haben verlernt, mit Gefahren umzugehen. Doch Angst ist der schlechteste Lebenspartner. Wir dürfen uns nicht verkriechen, sondern werden in Zukunft mit einem höheren Risiko leben und reisen müssen.
Balinesen wissen schon seit langem, dass Dämonen nicht zu besiegen sind. Man kann sich nur mit ihnen arrangieren. In ihrem Alltag sind die dunklen Mächte des hinduistischen Makrokosmos allgegenwärtig: Die Gipfel der Berge und die Region darüber ist die Welt der Götter, die Manifestation der ordnenden Kräfte – der Untergrund und der Erdboden die Welt der Dämonen, die zerstörerischen Kräfte.
Zwischen den ordnenden und dunklen Mächten des Kosmos steht der Mensch. Seine Aufgabe ist es, mit Gebeten, Opfern und Ritualen die Balance zwischen beiden aufrechtzuerhalten, für die einen als Danksagung, für die Letzteren zur Besänftigung oder als Ablenkung. Nur wenn beide im Gleichgewicht sind, herrschen Harmonie und Frieden.
Um zu verhindern, dass die Dämonen die Oberhand gewinnen, sind besondere Opferzeremonien vonnöten. Diese reichen von einfachen Speiseopfern, die man täglich in jedem Haushalt darbringt, bis zu spektakulären exorzistischen Ritualen, die inselweit zelebriert werden.
Während der vergangenen Vollmondnacht, am Montag dem 21. Oktober, fand am Schauplatz der Explosion die rituelle Zeremonie mecaru statt, mit der die balinesische Erde gereinigt und die dort angesiedelten Dämonen besänftigt werden sollen. Der Hohe Priester Ida Pedanda Gede Made Gunung rief dazu auf, ruhig und besonnen zu bleiben, um auf der Insel nicht noch mehr Chaos hervorzurufen.
Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich Inselbewohner an muslimischen Zuwanderern aus dem benachbarten Java rächen würden, die bereits in der Vergangenheit für viele Probleme verantwortlich gemacht wurden. Die Balinesen, die seit den 1920er-Jahren Fremde beherbergen, leben mittlerweile überwiegend vom Tourismus, und neben den Opfern und ihren Hinterbliebenen werden sie über lange Zeit unter diesem Anschlag zu leiden haben.
Die größte indonesische Zeitung Kompass schätzt, dass die Hälfte der 300 000 im Tourismus Beschäftigten in nächster Zeit ihren Job verlieren werden. Wenn Kellner und Taxifahrer in ihre Dörfer zurückkehren, werden sie auch dort keine Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.
Erst im Mai 2000 verlor ein anderes Paradies nicht weit von Bali entfernt seine „Unschuld“, weil es Opfer eines terroristischen Anschlages wurde, das Tauchparadies Sipadan vor der Küste von Sabah, eines Teilstaates von Malaysia. Die Entführung der Familie Wallert und anderer Urlauber ist schon lange aus den Schlagzeilen verschwunden, aber welche Folgen hatte diese Tragödie für die Menschen vor Ort?
Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes führte zu einem Einbruch des Tourismus in ganz Malaysia, selbst die über drei Flugstunden entfernte Hauptstadt Kuala Lumpur und die Touristeninsel Penang blieben von Stornierungen nicht verschont. In Sabah kam der Tourismus fast völlig zum Erliegen. Selbst nach über zwei Jahren verirrt sich kaum ein Deutscher in die früher so beliebten Nationalparks mit ihren ursprünglichen Dschungelgebieten, Orang Utan und einigen der besten Tauchrevieren der Welt.
Italiener und Franzosen haben ihren Platz eingenommen, genießen die günstigen Preise und fühlen sich sicher. Schließlich wurden alle illegalen Einwanderer des Landes verwiesen. In den Resorts auf den Inseln haben sich zum alteingesessenen Personal schwer bewaffnete Grenzsoldaten gesellt, die rund um die Uhr ihren Dienst diskret, aber mit großer Ernsthaftigkeit versehen. Sie vermitteln draußen auf dem weiten Meer, eingekeilt zwischen den Inseln der Philippinen und Indonesiens ein Gefühl von Sicherheit, ebenso wie die schnellen Boote der Marine, die seither in Semporna vor Anker liegen.
Die Unterwasserwelt hat sich sichtlich erholt, denn kein Fischer wagt mehr in diesen maritimen Schutzgebieten zu wildern. Die Menschen hingegen, die im Tourismus ihr Einkommen gefunden haben, leiden nach über zwei Jahren noch immer.
Wieder hat ein Attentat neben den Opfern und ihren Hinterbliebenen auch viele unschuldige Einheimische getroffen. Wer Bali kennt, wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten und, sobald es die Sicherheitslage zulässt, wieder hinfahren.

Textteile sind entnommen dem Reiseführer
Bali, Stefan Loose Travel Handbücher, erschienen im DuMont Verlag.
 

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