Ihr Lieben,
seit gestern wohnen wir in einem netten Bungalow in Mirissa auf einem steil abfallenden Felsen über der Südküste und blicken hinaus aufs tosende Meer. Nachdem die Sonne untergegangen und alles in tiefer Dunkelheit versunken ist, leuchten am Horizont Lichter auf, und es ist, als tauche eine gewaltige Stadt aus den Wellen empor. Es sind die Lichter hunderter Fischerboote und gewaltiger Containerschiffe, die zwischen den großen Häfen im Osten Asiens und Europas unterwegs sind. Sie fahren an Colombo vorbei, im Gegensatz zu den frühen Reisenden, die aus Europa kommend hier von Bord gingen und zum ersten Mal die üppigen Tropen, exotischen Tempel und betörenden Düfte exotischer Gewürze erlebten.
Es waren ihre Berichte, die mich bereits früh für diese Insel begeisterten. Nun habe ich es endlich geschafft herzukommen, und bin mir beim ersten Rundgang durch die quirlige Hauptstadt nicht sicher, ob sich nun meine Träume erfüllen oder alles in einer Enttäuschung endet.
Aus Indien kommend drängen sich zuerst einmal Vergleiche auf: Alles scheint wohlhabender, geordneter, ruhiger, es sind weniger Menschen auf der Straße, weniger Müll, weniger Saris, aber dann tauchen auch wieder aus Indien bekannte Namen wie Airtel und Tata auf, die Autorikschas und Krähen, die man zum Nationalvogel des gesamten Subkontinents erklären könnte. Wir können es kaum glauben, dass es Zebrastreifen gibt, an denen Autos wirklich anhalten und Fußgänger passieren lassen.
Für unsere ersten Tage gönnen wir uns den Luxus eines Zimmers im alten Flügel des kolonialen Mount Lavinia Hotels südlich der Stadt direkt am Meer mit eigenem Privatstrand. Zum ersten Mal auf dieser Reise haben wir ein Zimmer mit Klimaanlage und wirklich funktionierendem Heißwasser - und was für ein Zimmer. Es ist riesig groß und vermittelt mit seinen alten Möbeln das Gefühl in einer anderen Zeit gelandet zu sein.
Im Bett ist Platz für eine ganze Großfamilie, und von der Restaurant-Terrasse bietet sich ein fantastischer Ausblick auf die Skyline. Dafür ist es mit hundert Dollars auch das teuerste Hotel der ganzen Reise. Mit dem Bummelzug fahren wir vom nahen Bahnhof für umgerechnet 10 Cent in etwa 1 Stunde ins Zentrum. Wir wollen unsere Zugtickets kaufen, müssen aber feststellen, dass wegen der anstehenden Feiertage alle buchbaren Klassen voll sind. Da wir uns mit Gepäck nicht in eine überfüllte 3. Klasse drängen wollen (dieses Vergnügen ist uns später gegönnt), beschließen wir, wie so viele andere Touristen, für eine Woche einen Mietwagen mit Fahrer zu nehmen und die kulturellen Highlights der Insel zu besuchen.
Zuvor streifen wir 2 Tage durch die Stadt, laufen durch die engen Gassen von Pettah mit seinen Goldläden, Hindutempeln und bunten Märkten ebenso wie durch die weiten Boulevards des Regierungsviertels und lassen uns durch die Schätze des Nationalmuseums auf unsere kommende Reise einstimmen. Obwohl der Bürgerkrieg seit zwei Jahren vorbei ist, ist das Militär allgegenwärtig - auch während unserer weiteren Rundreise sehen wir überall Militärposten am Straßenrand, die Fahrzeuge kontrollieren und den einen oder anderen Obolus abkassieren.
Was kann man nach einem Bürgerkrieg auch mit Zehntausenden arbeitsloser Soldaten anfangen? Wir treffen Fred, einen Freund von Volker (Autor des Sri Lanka-Buchs), der uns etwas Besonderes zeigen möchte. Gegenüber dem Hilton Hotel ist ein großes Zelt aufgebaut, wir gehen hinein und landen - auf dem Oktoberfest! Auf der Bühne spielt eine echte bayerische Band, die Mädels im Dirndl und Männer in Lederhosen. Zur Gaudi der Einheimischen wie Ausländer wird ein zünftiger Wettbewerb im Biertrinken ausgefochten. An einem riesigen Buffet gibt es Haxen, Sauerkraut, Weißwürste und Apfelstrudel. Exotik einer anderen Art.
Volker hat uns einen Fahrer empfohlen, Mr. Perera. Er ist ein absolutes Original, bereits 69 Jahre alt und mit seinem auffälligen Kaiser-Willhelm-Bart eine überaus auffällige Erscheinung. Seit über 30 Jahren kutschiert er Touristen durch die Gegend und kennt so ziemlich jeden Hotel- und Restaurantbesitzer entlang der Strecke, ganz abgesehen von den anderen Fahrern. Entsprechend wird es eine geruhsame aber auch sehr unterhaltsame Fahrt.
Leider erwischt mich schon am ersten Tag eine fiebrige Erkältung, die mich für die nächsten Tage und Wochen etwas in meinen Aktivitäten einschränkt. Dennoch ist es mir zumindest möglich, in der ersten Hauptstadt des Landes Anuradhapura die gewaltige Pagode, die älteste des Landes, und den Bodhibaum zu besuchen, der ein Ableger von dem Baum ist, unter dem Buddha vor über 2500 Jahren erleuchtet wurde. In unserem nächsten Ziel Polonnaruwa überlasse ich das Besichtigungsprogramm der Buddhastatuen und Ruinen fast völlig Stefan und hüte das Bett im Resthouse.
Es ist allerdings ein ganz besonderes Bett, genauer gesagt das original Himmelbett, in dem bereits Königin Elizabeth bei ihrem Besuch 1954 geschlafen hat. Ihr bot sich von hier aus wie nun mir ein wahrhaft königlicher Ausblick auf einen riesigen Stausee mit vielen Wasservögeln, über den abends tausende Flughunde ausschwärmen, um in den Obstgärten auf Futtersuche zu gehen.
Allerdings hätte sich die Königin über den heutigen Zustand des Zimmers wahrscheinlich nicht sehr amüsiert gezeigt, denn unter der Klimaanlage bildet sich langsam ein kleinerer See, die Badewanne ist eher als Dekoration zu verstehen und die nachträglich eingebaute Dusche so eng, dass etwas fülligere Menschen (von denen es in Sri Lanka nicht wenige gibt) kaum darin Platz finden. Zudem werden wir bei Sonnenaufgang von einem Trommelkonzert geweckt, das eine Horde Hanumanmakaken auf unserem Dach veranstaltet.
Unsere dritte Station ist Sigiria, eine gewaltige Felsenfestung, die sich aus der üppig grünen Ebene erhebt, und in deren Höhlen auf halber Höhe die schönsten Wandmalereien zu bewundern sind. Allerdings sind sie nur über einen steilen Aufstieg zu erreichen, und so manch ein Besucher gerät dabei gewaltig ins Schwitzen. Wir sind begeistert von der Natur und der alten Kultur, die sich hier anschaulich präsentiert. Einzig die zahlreichen Moskitos und sintflutartige Regenfälle am Abend trüben etwas die Stimmung.
Am nächsten Morgen erfahren wir, dass es in Colombo so heftig geregnet hat, dass viele Stadtteile unter Wasser stehen, der Verkehr zusammengebrochen ist und 200 000 Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Da haben wir noch Glück gehabt, dass wir am nächsten Tag bei schönstem Wetter weiter nach Kandy fahren können. Dort verabschieden wir uns von Mr. Perera und erkunden die Stadt und den wunderschönen Botanischen Garten ohne ihn.
Von Kandy wollen wir mit dem Zug hinauf in die Berge nach Nuwara Eliya fahren. Trotz der Bemühungen unseres Gastgebers Malik ist auch dieses Mal kein reservierter Sitzplatz zu bekommen. Wir können uns gerade noch auf eine Bank in der 3. Klasse dazuquetschen bevor der Zug mit großem Ruckeln und Schaukeln anfährt und wir uns denken: "Das kann ja lustig werden". Es ist Wochenende, das viele Einheimische für einen Ausflug nutzen, und so ist der Zug schließlich in Hatton absolut randvoll. Dennoch schieben sich durch die dicht gedrängt stehenden Menschen immer noch Verkäufer von Snacks hindurch.
Auf dem Weg hinauf in die Berge haben wir Reisfelder, Bananenplantagen, Obst- und Gewürzgärten mit Kaffee, Pfeffer und Nelken hinter uns gelassen. Draußen erstrecken sich über die weiten Hügel endlose Teeplantagen, es ist neblig kühl. Mittags, als wir den Zug verlassen, kommt die Sonne hervor. Nuware Eliya überrascht uns mit tiefblauem Himmel, wie er nur in hohen Lagen zu sehen ist - wir sind fast 2000 m hoch. Der kleine Ort ist umgeben von Teeplantagen und den höchsten Bergen des Landes. Viele Häuser stammen noch aus britischer Kolonialzeit, Sie liegen umgeben von Blumengärten malerisch am Rand eines Golfplatzes und Parks. Es ist ein wunderbares Gebiet, das zum Spazierengehen und Wandern einlädt.
Nach 2 Tagen geht es weiter nach Ella, ein weiterer Bergort, der allerdings in einer engen Schlucht liegt und von ganz anderem Charakter ist. Von der Terrasse unseres Gästehauses aus haben wir einen fantastischen Blick auf die bizarren Berge. Hier soll sich der Legende nach Rawana mit der entführten Sita versteckt haben - eine Geschichte aus dem uralten Ramayana-Epos, die selbst heute noch in Indien, Thailand wie Indonesien gut bekannt ist. Wenn nachmittags die schweren Regenwolken aus dem Tal heraufwälzen bietet sich ein grandioses Naturschauspiel. Nach und nach verschlucken sie eine Bergkette nach der anderen und verwandeln die Felslandschaft in eine chinesische Tuschzeichnung bevor der Nebel alle Konturen auflöst.
Die feuchte Luft hat uns anscheinend nicht gut getan, und so kommen wir recht angeschlagen an der Ostküste in Arugam Bay an. Dort hat Fred, den wir bereits in Colombo getroffen haben, sein Resort, und dort treffen wir auch Volker und Mai, die für die Neuauflage des Reiseführers recherchieren. Während die beiden von Unterkunft zu Unterkunft eilen, lassen wir es ruhig angehen. Schließlich liegt unsere Recherche in Thailand noch vor uns, und wir wollen endlich richtig gesund werden.
Arugam Bay ist ein beliebtes Surferziel, aber die Saison ist seit einem Monat vorbei, und so macht der Ort einen ausgestorbenen Eindruck wie ein Wintersportort im Sommer. Dank der netten Gesellschaft wird es dennoch recht angenehm.
Unser nächstes Ziel liegt weiter im Süden: Tissa. Von dort sind 2 Nationalparks gut zu erreichen. Etwa 200 Jeeps fahren Tag für Tag in den Yala Nationalpark, wo die meisten Touristen vor allem eines sehen wollen: Leoparden. Da es nur noch etwa 35 dieser Tiere in dem riesigen Areal gibt, das nur teilweise für Touristen freigegeben ist, drängen sie viele Fahrzeuge an einer Stelle rings um eine Felslandschaft, wo ein Leopard seinen Unterschlupf hat. Unser Fahrer ist ein hervorragender Späher und entdeckt wirklich inmitten der Felsen den Kopf des Leoparden.
Am nächsten Tag besuchen wir den weniger bekannten benachbarten Bundula Nationalpark, wo wir nur einem anderen Fahrzeug begegnen. Diese eigenartige Küstenlandschaft mit Binnenseen und Dornbüschen wird vor allem wegen ihrer vielfältigen Vogelwelt besucht. Deshalb trauen wir unseren Augen kaum, als vor uns aus dem Wasser ein Elefantenbulle steigt und neben der Straße ganz gemächlich mit seinem Hautpflegeprogramm beginnt, alle Körperteile an einem Baum scheuert und sich anschließend mit dem roten Sand ordentlich einpudert. Obendrein entdecken wir später in den Dünen nahe der Küste eine ganze Elefantenherde mit zwei Babys, und nicht weit entfernt führt uns ein Pfau als weitere Belohnung mit geschlagenem Rad seinen Tanz vor. Was wollen wir mehr?
Nun haben wir den südlichsten Punkt der Insel umrundet und werden morgen weiter nach Galle fahren, das entgegen des Namens ein netter Ort sein soll. Bald geht es dann zurück nach Indien, und dort beginnt ein weiteres Kapitel unserer Reise.
Seid ganz herzlich gegrüßt von
Renate und Stefan