Ihr Lieben,
während der vergangenen Tage haben wir zwischen den beiden indischen Millionenmetropolen Mumbai und Chennai (im derzeit korrekten Sprachgebrauch) eine höchst interessante Zeit verbracht. Es waren nicht nur die legendären Strände von Goa und uralten Pilgerstädte im Hochland, sondern auch die west-östlichen Verwirbelungen, die uns fasziniert haben – das Zusammentreffen unserer heimischen mit der einheimischen Kultur. Bisher sind wir fast nur im indischen Umfeld gereist, und plötzlich ist alles ganz anders.
In Mumbai wohnen wir bei unserem Freund Firdaus, einem Parsen, der Gottfried Kellers "Kleider machen Leute" in seinem Deutschkurs liest, Käsekuchen und Opern liebt.
Ein weiterer Dauergast ist Norman, ein Anglistikprofessor, mit dem wir morgens wie Millionen Inder mit dem Vorortzug ins Zentrum fahren, um in der Moccabar inmitten Hookah rauchender Jugendlicher einen ordentlichen Kaffee zu trinken (den es ansonsten leider sehr selten gibt).
Dann geht es mit dem Nachtzug wie im vergangenen Jahr weiter nach Goa, wo wir uns trotz dreistündiger Zugverspätung mit Bryn, unserem Freund aus England, und Vanya aus Berlin unter Millionen Gläubiger bei der Ausstellung der Gebeine des Heiligen Franz Xavier wie durch ein Wunder pünktlich wie verabredet direkt an der Kathedrale (von Indern "Dead Body Church" genannt) treffen. Bryn, ein Autor und Verleger ähnlicher Reiseführern in England, ist zudem dem Autoren des Rough Guide Indien David Abrams in die Arme gelaufen. Wie ihr euch vorstellen könnt, war unser gemeinsamer Abend bei gutem portugiesischem Essen und einigen Flaschen Bier höchst interessant.
In Panjim findet zur gleichen Zeit das Internationale indische Filmfestival statt. Hiervon eine kleine Episode:
Neben aktuellen indischen Filmen laufen im Inox u.a. auch einige deutsche, wie Jännertage, Agnes und seine Brüder, Das Wunder von Bern, Die Blutritter, aber die Programme in den Zeitungen unterscheiden sich voneinander, also hin zum Inox, wo wieder ein anderes Programm vorliegt. Plätze sind noch frei, aber Tickets? Gibts nur am Miramar Beach, 3 km weiter. Doch dann ist es zu spät für den Film. Das Programm für morgen? Gibts erst abends. Am nächsten Morgen hängt es nur in einer Kopie am Inox aus.
Wir fragen nach Tickets, man schickt uns zur Kala Academy, wo heute eine Hindi-Musik- und Tanzveranstaltung stattfinden soll (angeblich hat sie bereits begonnen). Tickets? Gibts am Miramar Beach. Dort nur leere Buden und viel Müll vom Konzert am Vorabend. Schließlich nimmt uns ein Delegierter unter seine Fittiche, aber auch er wird in die Irre verwiesen. Am Ende zurück am Inox erfahren wir, dass für den Sonntag bereits seit dem Vorabend alle Filme ausgebucht sind, obwohl das Programm noch gar nicht veröffentlicht ist.
Als Trost verspricht man uns ein Ticket für das Konzert in der Kala Academy am Abend (!) gegen 19 Uhr, das wir um 17 Uhr wirklich erhalten. Abends ist das tausend Personen fassende Amphitheater voll, nach einem halbstündigen klassischen Tabla-Beitrag halb leer, nach einem Sitar-Stück nur noch zu einem Viertel gefüllt, und nach einem Vokalgesang genießen gerade noch fünfzig Personen den letzten Beitrag, einen wunderbaren klassischen Tanz. Der Grund? Hindi-Musik hatten viele mit Bollywood-Musik verwechselt.
In den vier Tagen in Hampi findet sich eine fantastische Gruppe zusammen, die gemeinsam die Ruinenlandschaft erkundet und lange, intensive Gespräche führt. Trotz unsere vielen Reisen haben wir selten so viele interessante Menschen an einem Platz getroffen. Und wie sich die Wege der Traveller treffen, so trennen sie sich wieder, aber jeder hat beim Abschiednehmen das Gefühl, eine wunderbare Zeit miteinander verbracht zu haben.
Bevor ich es vergesse, hier die Antwort von Deepak auf die Frage nach der Dauer bis zur Wiedergeburt: Es kommt auf die Seele, Umstände und Bedürfnisse jedes Einzelnen an. Zudem ist unser lineares Zeitsystem nicht übertragbar, denn eine körperlose Seele hat ein anderes Zeitgefühl.
Nun sitzen wir hier in Chennai in einem der größten Einkaufszentren Indiens – welch ein Kontrast – und bald ist die Indienreise auch schon Ende. Es ist kaum zu glauben. -
Wir kommen wieder!
Renate und Stefan