Ihr Lieben,
eine astrologisch optimale Sternenkonstellation hat am 28.11. in ganz Indien einen Hochzeitsboom ausgelöst, allein in Delhi haben 14 000 Paare geheiratet, und auch wir wurden von den Feierlichkeiten in einer großen Halle nebenan die ganze Nacht über bestens und vor allem laut unterhalten.
Aurangabad, die letzte Station unseres Kulturtrips durch das Zentrum Indiens, hat uns nach Ajanta über 2200 Jahre zurückgeführt in eine Zeit, in der buddhistische Mönche in die Felswand an einer Flussschleife Meditationshöhlen meißelten und sie mit lebendigen, teils bis heute erhalten gebliebenen Wandmalereien, Reliefs und Buddhastatuen auszuschmücken begannen.
Im Laufe der Zeit wuchsen die Höhlen zu beeindruckenden Tempeln heran, die mit der Renaissance des Hinduismus in Ellora von mehrstöckigen, prunkvollen Gebäuden immer weiter übertroffen wurden. Am größten Tempel wurde über hundert Jahre gearbeitet, bis alle Vorhallen, Türme und umlaufenden Arkaden, filigral dekorierte Säulen und Statuen sich langsam von oben nach unten arbeitend aus dem Fels gehauen waren.
Gar nicht weit entfernt von Ellora erhebt sich an einer der alten Handelsstraßen über das Dekkanplateau die tausend Jahre alte Festung von Daulatabad, ebenso wie das Colconda Fort in Hyderabad einst bewohnt von mächtigen, märchenhaft reichen Herrschern.
Heute zeugen die dem Verfall preisgegebenen Lustgärten und großen Haremsbezirke, hohen Festungsmauern und -gräben von der einstigen Bedeutung ihrer Herrscher im Wechselspiel verschiedener Mächte und Religionen.
Auch bei der Eingliederung Indiens in das britische Empire hat der Nizam von Hyderabad eine entscheidende Rolle gespielt, wie der Historiker William Dalrymple in seinem Buch White Mughals anhand der Geschichte des britischen Residenten James Archilles Kirkpatrick sehr plastisch darstellt. Wir gehen anhand des Buches auf Spurensuche und entdecken in der von Abgasen geschwängerten Millionenstadt Hyderabad die einstige Britische Residenz, das frühere Machtzentrum, heute das Osman Women's College.
Begonnen hat unsere Reise durchs Zentrum vor fast 2 Wochen in Puri, einem nicht gerade attraktiven aber billigen Pilger- und Fischerort an der Ostküste im Bundesstaat Orissa, in dem sich einige europäische Rentner niedergelassen haben, über die wir einen eigenen Rundbrief verfassen könnten. Einige sind aus Berlin und geben hier ihre in Deutschland mageren Renten aus. Hier in Puri leben sie mit ihren Euros wahrlich fürstlich.
Nahe Puri wird der Sonnentempel von Konark seit Jahren umfassend restauriert (wohl eher rekonstruiert). Von überall her ertönt ein geschäftiges Hämmern. Grob behauene Steine werden mit Sisalstricken an langen Bambusstangen befestigt von 4 kräftigen Männern zu ihrem vorgesehenen Platz getragen und von Steinmetzen mit dekorativen Reliefs versehen, und eine lange Menschenschlange befördert das ausgehobene Erdreich in Bambuskörben auf ihren Köpfen über den Platz – kaum anders muss es vor tausend Jahren hier ausgesehen haben, als der Tempel erbaut wurde. Heute ist der Festtag für den Sonnengott Surya, der auf dem Tempelturm thronend das Treiben überblickt - der Eintritt ist frei, dank Surya? Nein, es ist heute World Heritage Day, und das spart uns 500 Rs (immerhin 8 Euro).
Übrigens: Das Taschenmesser wurde uns am Flughafen zurückgegeben, und der Fireball ist leer.
Zum Abschluss noch eine Leseranfrage aus der gestrigen Times of India S. 13: Wie lange dauert es vom Tod bis zur Wiedergeburt? Die Antwort von Deepak folgt in der nächsten Mail.
Bis dahin verabschieden sich in Richtung Bombay ziehend
Renate und Stefan