TRAVELSTORIES – Stefan & Renate Loose unterwegs

gesammelte Briefe 2004–2024

Jenseits von Bali

Ihr Lieben,

ihr glaubt gar nicht, wie gut ein Sandwich mit Kaese schmeckt, wenn man einige Wochen darauf verzichten musste. Nach nur einer Flugstunde waren wir ploetzlich wieder zurueck in Bali und haben das Gefuehl zuhause zu sein. Hier gibt es wieder alles: Bratwurst, Starbucks, Pizzahut, viele weisse Gesichter, endlose Einkaufsmoeglichkeiten (besonders Nachschub an Buechern) und vor allem ein funktionierendes Internet. Welch ein Kontrast zu der Welt weiter oestlich.

 

Sumba - Eine andere Welt

Auf Sumba, unserer letzten Station, leben die Menschen in einer voellig anderen Welt, die noch von feudalen Strukturen und ganz eigenartigen Traditionen gepraegt ist. Nicht das Handy sondern der Parang gehoert zur Grundausstattung jeden Mannes. Das lange, scharfe Messer ist keineswegs nur Dekoration, sondern wird bei Auseinandersetzungen durchaus gekonnt eingesetzt. Erst letzte Woche hat sich ein Clan mit seinen Nachbarn ueber eine gestohlene Bueffelherde gestritten. Am Ende schwammen sechs Leichen im Fluss.

 

Wasserbueffel und die beruehmten Sumba-Pferde sind begehrt, denn ein Mann der heiraten moechte, muss eine ganze Herde davon den Schwiegereltern und anderen Verwandten als Brautpreis bezahlen. Viele werden zudem waehrend der Hochzeitsfeiern geschlachtet. Noch aufwaendiger sind die Totenfeste - beliebte Veranstaltungen bei jungen Leuten, um auf Brautschau zu gehen. In einem Dorf ist gerade der ganze Clan zusammen gekommen, weil eines seiner Mitglieder gestorben ist. Es gibt lange Diskussionen, denn das Begraebnis kann nur stattfinden, wenn auch in der Nachbarschaft zwei weitere Tote beigesetzt werden, die bereits vor laengerer Zeit gestorben sind. Da den Nachbarn die noetigen Mittel fehlen, liegen die Leichen in viele Sumbadecken gewickelt in einer Ecke des Wohnhauses.

Das Zentrum eines Dorfes bilden die Graeber der Adligen. Frueher hat man riesige Megalithgraeber errichtet, fuer die die Steine in jahrelanger Arbeit von hunderten Menschen herbeigeschafft wurden. Heute hilft man mit Zement und LKWs nach. Allerdings sind immer noch viele Menschen beteiligt. Zum groessten Begraebnis im vergangenen Jahr kamen 12 000 Menschen!

 

Frueher wurden auch die adligen Koepfe gern von den Nachbarn gejagt und bei Festen wie Lampignons in einen Baum gehaengt. Die Baeume stehen immer noch und sehen gar nicht sooo alt aus. Die Koepfe soll man begraben haben. Allerdings hat jedes traditionelle Haus ein hohes Dach wie ein Turm mit einem Zwischenboden, auf dem die Familienerbstuecke, Sumbadecken, Masken und andere Gegenstaende fuer die Feste aufbewahrt werden. Es wuerde mich nicht wundern, wenn dort der eine oder andere Schaedel dabei waere.
Zu guter Letzt gibt es in den traditionellen Doerfern nicht nur ein Versammlungshaus fuer die Mitglieder eines Clans sondern nebenan auch ein ebenso grosses fuer die Geister der Verstorbenen.

 

Jetzt reicht es aber mit den Gruselgeschichten ueber Sumba. Die Insel selbst ist wunderschoen, sehr vielseitig, hat tolle Straende aber nur 3 abgeschiedene Luxusresorts. Wir haben es vorgezogen in der Stadt Waingapu und Waikabubak zu wohnen (fuer 6 bzw 15 Euro pro Nacht inklusive Nachmittagssnack und Fruehstueck), waren sonntags beim Pferderennen und haben uns die kunstvolle Art der Ikatweberei angeschaut. In Sumba hatten wir Glueck einen guten Guide zu finden, der 4 Tage mit uns ueber die Insel gefahren ist und uns viel erzaehlt hat.

Timor

In Timor, der oestlichsten Insel, die wir besucht haben, ist es uns diesbezueglich weniger gut ergangen. In Kupang, der Hauptstadt, trafen wir noch einige andere Touristen. Sie waren jedoch alle auf der Durchreise: Die Franzosen warteten auf das grosse Passagierschiff, das einmal woechentlich hier anlegt, die Australier wollten nach Roti zum Surfen und die Englaenderin nach Ost-Timor ihr Visum verlaengern. Im einzigen Reisebuero treffen wir auf geballte Inkompetenz. Man kann uns nicht mal ein Flugticket geschweige eine Tour in die traditionelle Doerfer verkaufen, sodass wir uns auf den Sozius eines Motorradtaxis schwingen und selbst zur Fluggesellschaft fahren.

 

Am folgenden Tag nehmen wir einen Minibus und fahren weiter ins Landesinnere nach Soe. Dort soll es ein Buero vom Ministerium fuer Tourismus, Kunst und Kultur geben. Nach einer laengeren Wanderung finden wir das Buero, besetzt mit 7 Menschen, von denen immerhin 2 englisch sprechen, aber uns auch nicht weiterhelfen koennen. So nehmen wir am folgenden Tag den oeffentlichen Bus nach Niki Niki, quetschen uns neben Kisten und Saecke, Eimer voller Fische, Gemuese und Marktfrauen. Die Menschen sind arm, und das teuerste, was auf dem Markt gehandelt wird, sind wiederum Ikatdecken, die hier um 15 Euro pro Stueck kosten. Sie sind allerdings nicht so hochwertig wie die auf Sumba. Dennoch macht es uns grossen Spass, das Treiben auf dem Markt zu beobachten.

 

Jetzt koennte ich noch eine unglaubliche Geschichte erzaehlen von einem Oesterreicher, der sich in eine Frau aus Sumba verliebt, sein gesamtes Vermoegen verliert und nun mit seiner Tochter in einem Schweinestall lebt. Doch es ist spaet geworden, und wir freuen uns schon auf ein schoenes Abendessen. Nach unserer Rueckkehr aus einer Mangelgesellschaft schaetzen wir es umso mehr, was wir heute haben.

Liebe Gruesse aus Bali, der letzten Station unserer Reise durch Indonesien von

Renate und Stefan

 

E N D E ....

.... mit Indonesien - demnächst weiter in Indien und Bhutan ....

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