Ihr Lieben,
mittlerweile ist es Tradition, dass wir alle 2 Jahre nach Malaysia zurückkehren, um unser Buch auf den neuesten Stand zu bringen. Da wir fast immer zur gleichen Zeit losfliegen, sind wir wie in den vergangenen Jahren gleich in die chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten hineingeraten. Am Abend unserer Ankunft in Kuala Lumpur sind wir Gäste in einem „Open House“ – einer Tradition bei allen großen Festen in Malaysia. Eine wohlhabende chinesische Familie hat geladen, und viele sind gekommen. Wir sitzen vor einem Neubau, einem repräsentativen architektonischen Vorzeigeprojekt, am Pool mit Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, die Twin Towers, die zu den höchsten der Welt zählen, und genießen das leckere Buffet sowie Lamm vom Grill. Eine der besten Löwentanz-Gruppen führt ihre akrobatischen Tänze auf und sorgt mit ihren Zeremonien für noch mehr Wohlstand der Gastgeber. Bei unseren Freunden Doris und Manfred fühlen wir uns wie zu Hause. Allerdings ist der Klimaschock schon beachtlich, und es ist anstrengend, nach den gewohnten eisigen Temperaturen in Berlin nun bei über 30 Grad durch die Stadt zu laufen, um nach neuen Gästehäusern, Hotels und Restaurants Ausschau zu halten und die Veränderungen zu registrieren.
Abends treffen wir Freunde, mal an Essenständen, mal im traditionellen Selangor Club, wofür Stefan extra ein Hemd und Schuhe mitgeschleppt hat, denn ohne sie wird man nicht eingelassen. Dieses Outfit erweist sich auch als überaus nützlich beim Termin mit dem Chef im Ministerrang von Tourism Malaysia, der in den oberen Stockwerken residiert und eigentlich wenig von dem mitbekommt, was sich an der Basis tun.
Vor allem in Ländern wie Malaysia, in denen hierarchische Strukturen den Alltag bestimmen, stellen wir immer wieder fest, wie unterschiedlich die Realität von Menschen wahrgenommen wird. Jeder hat seine Probleme, auf diese oder jene Art, auch wenn keiner hungert und alle gut versorgt sind.
Mittlerweile stehen vor fast allen Häusern Autos, wahrscheinlich sogar teurere als bei uns. In einfachen Berufen arbeiten überwiegend Ausländer aus Indonesien, Nepal, Burma und anderen Billiglohnländern. Qualifizierte Arbeitskräfte wandern ab, und die Kinder reicher Chinesen, die im Ausland studieren, bleiben danach zum Arbeiten gleich dort.
Die ethnischen Gruppen (Malaien, Chinesen und Inder) grenzen sich immer mehr voneinander ab, was zu Spannungen führt.
Wir bewegen uns ebenso zwischen ihren Welten wie denen der Deutschen und anderen Europäer, die sich in Malaysia niedergelassen haben. Viele leben schon sehr lange hier und machen sich Sorgen um die Entwicklung – nicht nur die wirtschaftliche, sondern vor allem die politische.
Auch die Natur leidet ohne dass jemand aktiv einschreitet. Wir suchen vergeblich nach „grünen touristischen Projekten“. Selbst Umweltorganisationen wie Wild Asia können uns nicht weiterhelfen. Es sind noch Einzelkämpfer, die sich hier und da im Kleinen bemühen etwas zu ändern. Gleichzeitig schreitet die Meeresverschmutzung voran, Quallen breiten sich aus, sodass man nicht mehr baden gehen kann. Der Gestank ungeklärter Abwässer dringt bis in die Restaurants, und wilde Müllkippen verschandeln die Umwelt. Es erscheint wie ein Hohn, dass gleich nebenan neue Prestigeprojekte entstehen, die keiner braucht aber an denen viele etwas verdient haben.
Soweit die eine Seite, damit ihr nicht denkt, dass hier die Menschen im Paradies leben. Denn es gibt auch das andere: Die Postkartenidylle „Palmen im Wind – blauer Himmel, weißer Strand“, hervorragendes Essen, das vielfältig, preiswert und gut ist, freundliche Menschen und tolle Feste. Die zweiwöchigen Neujahrsfeierlichkeiten sind noch nicht zu Ende, da wird Mohammeds Geburtstag gefeiert. Am Tag darauf kommen tausende von Indern nach Pangkor, wo wir uns gerade aufhalten, um mit uralten Zeremonien die Göttin Kali zu ehren.
Unsere Route führt uns von Kuala Lumpur hinauf in die kühlen Cameron Highlands, wo wir ein paar Tage mit unseren Freunden Andrea und Werner aus Deutschland verbringen, dann wieder ins heiße Tiefland nach Ipoh. Nach einem Abstecher auf die Insel Pangkor stehen die Sultansstadt Kuala Kangsar und die ehemalige Zinnmetropole Taiping auf dem Programm.
Es folgt die Insel Penang mit der Hauptstadt Georgetown, deren Altstadt vor 2 Jahren zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die einmalige traditionelle Kultur, die dadurch bewahrt werden soll, wurde allerdings dadurch gefährdet, denn die Grundstückspreise sind seither stark in die Höhe geschossen. Billige Backpacker-Unterkünfte wurden geschlossen und verkauft, dafür sind luxuröse Boutique-Hotels entstanden. In Läden, die früher ein buntes Sammelsurium von Ramsch und Antiquitäten verkauften, sind nun schicke Klamottenläden eingezogen. Die ursprünglichen Bewohner werden zunehmend in die Wohnblocks verdrängt, die rings um die Altstadt wie Pilze aus dem Boden schießen. Die eine Bucht umgrenzen Sozialbauten, die andere schicke Apartmentblocks mit Ferienwohnungen für Ausländer, die den überwiegenden Teil des Jahres leer stehen.
Wir versuchen in 3 Tagen alle Veränderungen zu erkunden und fahren dann weiter nach Alor Setar. Hier im Nordwesten, nahe der thailändischen Grenze, ist extrem heiß, sodass es tagsüber sehr anstrengend ist zu recherchieren. Innerhalb kurzer Zeit sind wir total durchgeschwitzt. Wir müssen ruhiger treten, das wird mir klar, als ich morgens aufwache und mir total übel ist. Nur mit Not schaffe ich es auf die Insel Langkawi, wo ich nur noch ins Bett falle und den Nachmittag und Abend im Dämmerschlaf verbringe. Am nächsten Morgen ist alles wieder in Ordnung, und es kann weitergehen.
Nach der ersten Hotel-Recherche am Meer segeln wir zum Sonnenuntergang auf einem Katamaran übers Meer und treffen jeden Abend andere Freunde, die aus Deutschland kommen und bereits lange auf der Insel leben. Heute ist unser letzter Abend, und so genießen wir noch einmal die Vorteile einer Urlaubsinsel: Gutes Essen mit dem ersten Glas Wein der Reise und Wifi-Internetzugang selbst im Restaurant.
Deshalb werde ich nun aufhören zu schreiben und mir die Karte bringen lassen, um einen leckeren Fisch zu bestellen.
Euch allen ganz herzliche Grüße von der Westküste Malaysias von
Renate und Stefan