TRAVELSTORIES – Stefan & Renate Loose unterwegs

gesammelte Briefe 2004–2024

Malaysia - Zweiter Teil der Reise

Ihr Lieben,

gestern Abend hat der alte Nachbar, ein pensionierter Nationalpark-Ranger, Regen vorhergesagt. Als ein weiteres Zeichen für nahenden Regen beobachten wir kurz darauf, wie zahlreiche Termiten ihren Bau verlassen – und eine davon beißt Stefan in den Zeh, sodass es blutet. Doch es ist bereits spät nachmittags und immer noch drückend heiß, kein Tropfen sorgt für die lang ersehnte Abkühlung.

Eine malaiische Dorfhochzeit

Vielleicht hat der Wettergott ein Nachsehen mit den Brautleuten in der Nachbarschaft. Heute Mittag sind auch wir zu einer malaiischen Dorfhochzeit eingeladen worden. Für Hunderte bunt gekleideter Gäste gibt es ein Mittagessen aus verschiedenen Currys (Ziege, Hähnchen, Fisch, Ananas) sowie Tempeh (gebratener Tofu mit Sojabohnen) und kleinen salzigen Fischchen sowie Erdnüssen und Reis. Dann erst trifft der Bräutigam mit seinem Gefolge ein.

Die Braut ziert sich noch ein wenig, aber kurz darauf tritt auch sie aus dem Haus - das Gesicht hinter einem Fächer verborgen. Sie ist wie eine Prinzessin gekleidet und stark geschminkt. Dafür sind bereits gestern Abend vier hübsche Mädchen aus der nächsten Stadt angereist und waren den ganzen Vormittag damit beschäftigt, die Braut herzurichten.

Nach einer kurzen Begrüßung steigen Braut und Bräutigam auf ihren Thron und nehmen nach einem kurzen Gebet die Segenswünsche der Gäste entgegen. Auch wir müssen aufs Podium und die beiden mit Reis und klein geschnittenen Pandanusblättern sowie heiligem Wasser segnen. Nach dem Familienfoto dürfen endlich die Beteiligten essen, und die Gäste treten den Heimweg an. Früher dauerte eine Hochzeit drei Tage mit traditionellen Tänzen, Kampfsportvorführungen und Gesängen. Heute bevorzugt man es kurz und knapp.

 

Auf Dschungelpfaden

So bleibt uns am Nachmittag noch etwas Zeit für den Dschungel. Wir sind im Taman Negara, dem ältesten Nationalpark im Landesinneren der Halbinsel. Der Dschungel – genauer gesagt der tropische Regenwald, aber auch der Mangrovenwald – übt eine eigenartige Faszination auf uns aus, und wir sind nicht die einzigen. Fast jeder, der nach Malaysia reist, möchte den Dschungel gesehen haben, und die meisten fahren in den Taman Negara. Entsprechend ausgetreten sind die Pfade, und das ist für uns eine Herausforderung nach neuen Zielen zu suchen.

Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht, erst recht nicht auf der Suche nach unberührtem Regenwald. Auf der Urlauberinsel Langkawi sind die Berge noch von dichtem Dschungel bedeckt, der zudem einer der ältesten der Erde ist. Wir lernen Peter kennen, der Touren duch den Bergwald und die Mangroven anbietet, und mit dem wir bei unserer nächsten Malaysia-Reise unbedingt mitgehen wollen.

Auf dem Weg an die Ostküste legen wir einen Zwischenstopp in Belum am Temengor-See ein, um zu sehen, was dort geboten wird. Wir haben zwei Adressen: Eine komfortable Lodge auf einer Insel im Stausee und einen Ökotour-Anbieter. Wir quartieren uns auf der Insel ein und schauen uns das relativ teure Tourenangebot an. Für den nächsten Morgen verabreden wir uns mit dem Ökotour-Veranstalter. Zwei nette Jungs, die es auf der Suche nach Arbeit aus Kolkata (Indien) hierher verschlagen hat, holen uns mit einem Boot ab. Nach einer zwanzigminütigen Fahrt legen wir an einer der Inseln an und besteigen einen Berg mit einem Aussichtsturm, von dem aus sich ein toller Ausblick bietet. Danach geht es weiter zu einer anderen Insel, auf der man in kleinen Bungalows und Hausbooten übernachten kann. Dann besuchen wir weitere Ziele auf anderen Inseln, darunter einen Wasserfall und eine Siedlung der Orang Asli, den ursprünglichen Dschungelbewohnern Malaysias.
Bislang kommen nur einheimische Reisegruppen hierher, aber es wäre auch ein faszinierendes Ziel für Einzelreisende. Wir wollen unbedingt wiederkommen, wenn es auch kleinere Hausboote gibt, mit denen wir ein paar Tage in einer einsamen Bucht entspannen können. Noch ist hier außerhalb der malaysischen Ferien und Feiertage nichts los, und wir treffen während des ganzen Tages keinen einzigen anderen Touristen.

 

Strandleben auf Perhentian

An der Ostküste sind wir in Kota Bharu mit Jana verabredet, mit der wir für ein paar Tage gemeinsam recherchieren. Unser alter Freund Roselan im Tourist Office freut sich, uns zu sehen. Schließlich kennt er uns schon 30 Jahre und hat auch Janas Eltern vor langer Zeit einmal getroffen. In der Stadt selbst halten sich nur wenige Backpacker auf, die meisten fahren gleich an die Strände der Perhentian-Inseln. Noch bläst der Monsun und wühlt das Meer auf. Es wird eine raue Überfahrt mit dem Schnellboot, und wir können uns vorstellen, dass nach einer solchen Erfahrung jeder gern seine Rückfahrt verzögert. Viele, die wir sprechen, sind bereits seit zwei Wochen auf der Insel und verbringen die Tage mit Nichtstun. Wir haben ein straffes Programm, denn es gilt in drei Tagen vier Strände zu recherchieren plus einige einsame Resorts in abgelegenen Buchten. Wir wandern quer über die Hauptinsel durch dichten Regenwald, wo wir Eichhörnchen und Warane sehen, kurven mit dem Boot von Strand zu Strand. Manchmal entdecken wir ein kleines Paradies, dann wieder fragen wir uns, wer inmitten des Mülls in verwahrlosten Hütten eigentlich gern seinen Urlaub verbringt. Doch die Hütten sind billig, und die meisten, die hier in der Sonne brutzeln sind jung.

Ein Ministerpräsident treibt uns zur Eile

In Kuala Terengganu bleibt Jana zurück. Sie wird noch zwei Wochen bei Alex und den Mädels von Ping Anchorage bleiben, einem Reisebüro, das Touren an der Ostküste organisiert. Von dort aus will sie einige Inseln für uns recherchieren. Wir fahren weiter durch das Landesinnere an den größten Staussee der malaiischen Halbinsel, den Kenyir-See. Am nächsten Morgen geht es auf einer neuen Straße, einer breiten Schneise durch die von Dschungel (im Staat Terengganu) und Palmölplantagen (in Kelantan) bedeckten Berge weiter nach Westen. Der heftige Monsunregen hat an vielen Stellen den Asphalt unterspült, sodass manchmal mehr als die Hälfte der breiten Straße den Hang hinabgerutscht ist. Dann erreichen wir die Baustelle und schlängeln uns weiter auf Plantagenwegen die letzten 30 km zur Nord-Süd-Verbindung.

Früher endete die Straße kurz hinter Gua Musang, das am Ende der Welt zu liegen schien. Heute kommen hier täglich zahlreiche Backpacker an. Sie sehen weder die alte Chinatown noch die Höhlen in den steil aufragenden Kalkfelsen. Sie kommen von den Cameron Highlands, den Perhentian-Inseln und dem Taman Negara und werden an diesem strategisch günstig gelegenen Ort nur umgeladen. Wir lassen uns nicht entmutigen und schauen uns alles an, fahren vor unserem Tagesziel Kuala Lipis sogar noch einige andere Zwischenziele an.

 

Als wir in Kuala Lipis einfahren sind die Straßen mit Fahnen der Regierungspartei und des Landes geschmückt, Polizei fährt mit Blaulicht auf und ab, und Tausende von Menschen drängen sich auf Straßen und Plätzen. Wir brauchen nicht lange, um herauszufinden, dass der Ministerpräsident von Malaysia Najib heute hier in seinem Geburtsort erwartet wird. Auf der Suche nach einem Hotelzimmer ernten wir nur ein müdes Lächeln: „Sorry, full!“ Zumindest haben wir so schon einmal die Hotels recherchiert. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auch die anderen Infos aus dem Buch zu überprüfen und am Abend zum nächsten Ziel, Jerantut, 64 km weiter zu fahren.

Letztendlich hat es auch etwas Gutes. Wir sind einen halben Tag früher als geplant fertig mit unserer Arbeit und haben Zeit für eine Hochzeit und einen weiteren Rundbrief aus Malaysia.

Euch allen wünschen wir keine Frühjahrsmüdigkeit sondern einen warmen Frühling und Sonnenschein. Seid herzlich gegrüßt von
Renate und Stefan

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