Ihr Lieben,
kein Internet, kein Telefon, nicht einmal Strom – ein ganzes Dorf ohne Straßenverbindung. Rings um uns nur Dschungel, ein Fluss und Regen, der den ganzen Tag anhält und dem Regenwald alle Ehre macht.
Wir sitzen in Borneo am Oberlauf des Sungei Delok in einer großzügigen Lodge im lokalen Stil, die von Borneo Adventure neben einem Langhaus der Iban erbaut wurde.
Zu dieser Gegend haben wir eine besondere Beziehung, denn auf unserer ersten gemeinsamen Reise waren wir schon einmal in dieser Gegend - lange vor den ersten Touristen und lange vor dem Bau des Staudamms, der die untere Hälfte des Flusssystems in einen riesigen See verwandelt hat.
Es war im Sommer 1978, als wir in einem schmalen, von einem Außenborder angetriebenen Boot mit einem einheimischen Barfußarzt, chinesischen Bootsmann (gleichzeitig Koch) sowie einem Iban-Jäger tagelang von Langhaus zu Langhaus unterwegs waren. In einigen war unser Besuch Anlass für ein riesiges Festgelage, in anderen wurden wir für Geister gehalten, weil noch nie zuvor ein weißer Mensch ihr Dorf betreten hatte.
Viele Jahre sind seither vergangen, und auch hier hat sich in dieser Zeit sehr viel getan. Einige der Iban-Langhäuser gibt es nicht mehr, die bis über hundert Meter langen Holzbauten auf hohen Pfählen sind verfallen. Ihre Bewohner wurden umgesiedelt weil das Gebiet als Nationalpark ausgewiesen worden ist. Andere Dörfer wurden von den Wassermassen des Batang Ai-Stausees überflutet, sodass die meisten Menschen, die wir damals besucht haben, mittlerweile an Straßen leben, die es vor über 30 Jahren noch nicht gab, in neuen Langhäusern aus Zement, die an Reihenhäuser erinnern und vor denen Autos parken.
Nur wenige Iban, die in den alten Langhäusern wohnen geblieben sind, sehen hier eine Perspektive für ihre Kinder. Diese wachsen in Internaten auf und kommen nur am Wochenende nach Hause, denn die Bootsfahrten die Flüsse hinauf sind zeitaufwändig, und der Diesel für die Außenborder ist für hiesige Verhältnisse teuer.
Nicht wenige Langhausbewohner leben vom Tourismus. Vor allem die leicht erreichbaren an anderen Flüssen sind zu reinen Touristenattraktionen verkommen. Manchmal sind Touristen im Langhaus in der Überzahl, und es wird eine Welt vorgegaukelt, die es nur noch in Tourismusbroschüren gibt. In abgelegenen Langhäusern am oberen Batang Ai versuchen einige verantwortliche Veranstalter ein anderes Konzept zu verwirklichen, wie hier in Nanga Sumpa, ganz ohne Folklore.
Im Mittelpunkt steht das Naturerlebnis, und ganz nebenbei bekommt man auch noch etwas vom Alltag der Langhausbewohner mit. Die Lodge bietet zudem die Möglichkeit, sich in die eigenen vier Wände zurückziehen zu können, richtige Toiletten und Generatorstrom, was auch seine Vorteile hat.
So nutze ich den heutigen Abend (so lange der Akku reicht, denn eine Steckdose gibt es nicht), euch noch etwas von unserer Reise zu berichten. Währenddessen hat sich auf dem Holzbalken über uns ein ganz ungewöhnlicher Besucher niedergelassen: ein großer, grüner Flugfrosch, der genussvoll die vom Licht angelockten Insekten verspeist. Beim Versuch, eine besonders fette Beute zu erhaschen, ist er nun aus 3 m Höhe mit ausgebreiteten Beinen und Flughäuten herabgesegelt und nach kurzer Zeit im Grün unter unserem Haus entschwunden.
Kaum zu glauben, dass wir noch vor wenigen Tagen in Singapore waren, einer der modernsten und dynamischsten Städte der Welt. Erst vor 2 Jahren haben wir die Stadt ausgiebig recherchiert. Seither hat sich schon wieder unglaublich viel verändert. So gibt es mehrere neue Einkaufszentren, die sich mit Superlativen zu überbieten versuchen (und jedes von ihnen würde in Deutschland Aufsehen erregen), ganz neue Ausgehviertel mit schicken Clubs, edlen Restaurants, Galerien und Gourmet-Läden mit riesiger Wein- und Wurstauswahl, leckerem Brot und sogar ein Laden mit einem begehbaren Käse-Kühlraum aus Glas!
Auf einer Insel sind gleich 3 neue Luxushotels neben einem Themenpark der Universal Studios entstanden mit unterirdischem Zugang zu einem Casino. Ein weiteres Casino wird in einigen Tagen in luftiger Höhe in Marina Bay eröffnet, in einem Gebiet voller chromglänzender Neubauten, die alle auf aufgeschüttetem Land entstanden sind. Damals, bei unserer ersten gemeinsamen Reise, lagen an dieser Stelle noch Schiffe vor Anker, die mit Hilfe von chinesischen Sampans entladen wurden.
Während dieser Zeit hat sich so viel verändert, dass wir uns fragen, was überhaupt geblieben ist. Zusammen mit unserem Freund Wilson gehen wir wieder in das gleiche Restaurant, in dem wir bei unserem ersten Treffen vor 30 Jahren waren, Steamboat essen – das ist eine Art chinesisches Fondue mit Brühe. Es hat sich kaum verändert und ist immer noch beliebt, obwohl seine Reinlichkeit von der Gesundheitsbehörde im sauberkeitsfanatischen Singapore mit C bewertet wurde (die unterste Stufe – also dreckig!) und die alten chinesischen Besitzer dieses C in Gold gerahmt stolz über der Kasse präsentieren.
Uns kommt die Idee, mit der ersten Auflage des Südostasien Handbuchs, die 1978 erschienen ist, auf Spurensuche zu gehen. Doch dafür brauchen wir Zeit, ebenso wie für viele andere Dinge die wir hier in Malaysia noch tun wollen. Und so wird unsere Liste von Woche zu Woche länger. Erst vor einigen Tagen haben wir in Kuching einen weiteren Punkt hinzugefügt: Wir wollen unbedingt noch einmal das Rainforest World Music Festival besuchen, das dort im Juli stattfindet und mehr Zeit mit unseren vielen Freunden verbringen, die wir in Kuching, einer unserer Lieblingsstädte, haben. Morgen werden wir allerdings weiterziehen quer durch Sarawak nach Brunei und schließlich nach Sabah im Norden der Insel Borneo. Bis Mitte Mai wollen wir unsere Recherche für das Buch abgeschlossen haben und den Frühling und Sommer in Deutschland (hoffentlich bei gutem Wetter) genießen.
Jetzt ist es an der Zeit aufzuhören, denn einige riesige Ameisen lassen sich nicht davon abhalten ständig über den Laptop zu marschieren.
Aus dieser illusteren Runde grüßen euch ganz herzlich
Renate und Stefan