TRAVELSTORIES – Stefan & Renate Loose unterwegs

gesammelte Briefe 2004–2024

Orientreise 2007 - Teil 1: Türkei, Iran

Mashad, 4.9.2007

Imam Moschee Isfahan

Ihr Lieben,

wieder einmal ist es soweit, unsere erste Reise-Rundmail zu verschicken. Wir sind über 2 Wochen unterwegs, waren in Istanbul und im Iran .Bevor es nun über die Grenze ins (laut Lonely Planet) fast internetfreie Turkmenistan geht, möchte ich euch kurz über diesen ersten Teil unserer Tour berichten.

Von Turkmenistan wollen wir dann weiter nach Uzbekistan, Tajikistan, Kirgisistan, China, Pakistan und Indien, wo es entlang des Himalaya bis in den äußersten Nordwesten an die burmesische Grenze gehen soll, bevor wir Weihnachten die Heimreise antreten werden.

Soweit unsere Planung. Kommen wir nun zur Realität. 

Istanbul, mit einem Bein im Orient

Die Reise beginnt in Istanbul – zwei Tage touristisches Umfeld zum Eingewöhnen und Umschalten. Der Flugplatz ist weit moderner und besser organisiert als der John-F.-Kennedy Airport in New York, auf dem wir vor drei Wochen gelandet sind. Viele sprechen Deutsch, noch mehr Englisch. In den Straßencafés und auf kühlen Dachterrassen gibt es Bier. Alles ist sauber und gut organisiert.  Geldautomaten spucken nicht nur türkische Lira sondern auch Euro und US$ aus. Vor der Blauen Moschee tanzen abends die Derwische, und von den Minaretts erklingt der Ruf des Muezzins. Wir fahren mit der Fähre bis ans Schwarze Meer, pilgern durch den mit Touristen überfüllten Topkapi Palast und einige Moscheen. Unser Highlight ist die Hagia Sophia, einst die größte byzantinische Kirche, dann Moschee und heute Museum – ein Muster verordneter Toleranz, wo Frauen im Schleier ebenso willkommen sind wie im Minirock. Beide Typen sind manchmal sogar in einer Familie vertreten, und wir fragen uns, ob das wohl ohne Konflikte abgeht.

Ein aufregender Start in Teheran

Von Istanbul (wo wir am Flugplatz unsere Freundin Petra getroffen haben, die gemeinsam mit uns durch den Iran gereist ist) startet der Flieger spät abends nach Teheran. Die Maschine ist verspätet, zudem gibt es Ärger mit einem Passagier, der sich von einer Frau nicht checken lassen will. Auch nach der Landung dauert die Abfertigung bei der Immigration ziemlich lange, so dass wir völlig übermüdet sind, als wir am frühen Freitag mit einem illegalen Taxi in die Stadt fahren - wir zu unserer Freundin Rebecca und Petra zu ihren Freunden.

Beim Aussteigen vergessen wir unseren Daypack mit allem, wirklich allem, außer unserem Geldgürtel, vor dem Beifahrersitz des Autos, mit dem Petra weiterfährt. Als sie nach einer halben Stunde ankommt und aussteigt, meint der Fahrer nur, ob sie nicht noch den anderen Rucksack mitnehmen wolle. Petras Anruf bei Rebecca hat uns natürlich total erleichtert, denn ansonsten wäre wir bereits am Ende unserer Reise gewesen. Das ist uns noch nie passiert und lehrt uns wieder einmal, dass man übermüdet viel Mist macht und doppelt aufpassen muss.

Rebecca haben wir vor 2 Jahren in Pakistan kennengelernt. Sie ist 23, Amerikanerin und lebt seit 3 Jahren im Iran, spricht fließend Farsi und lernt nun mit großer Begeisterung Mittelpersisch, um die großen Dichter auch im Original lesen zu können. Durch sie haben wir gleich Zugang zu iranischen Frauen, werden bei einer georgischen Freundin in der orthodoxen russischen Kirche zum Tee eingeladen, bei einer anderen Freundin (einer Bergsteigerin!) zum Mittagessen, suchen zwischendurch in der Amir Kabir Straße Stefans Hotel von 1971 und treffen dort alte Männer, die sich an die Hippies mit ihren exotischen Autos und Motorrädern erinnern. Es ist phantastisch, da Rebecca alles übersetzen kann. Schließlich gehen Petra und ich mit ihr noch ins Theater (nur Frauen erlaubt!), was nach all den Aktivitäten und einer Nacht ohne Schlaf schon ziemlich anstrengend ist. Ihre Freundin und Mitbewohnerin Susan spielt eine der Hauptrollen, und nach unserer Rückkehr gibt es entsprechend viel zu erzählen. Die 3 Frauen teilen sich eine winzige 2-Zimmer-Wohnung, in der wir auf dem Teppich schlafen, der ebenfalls als Tisch dient.

Schleier

Vor dem Theater

Viele Frauen, die wir treffen, sind äußerst interessant und haben uns ein höchst differenziertes Bild von den verschleierten Wesen vermittelt, die unter ihren schwarzen Umhängen so uniform, alt und unnahbar wirken.

In Teheran und Isfahan schaffen es einige Frauen, sich trotz der Kleidungsvorschriften einen modischen Touch zu geben. Aber überall passt die Religionspolizei auf, dass sie nicht übertreiben. Wir haben es selbst erlebt, wie in Isfahan der Ausweis von jungen Leuten kontrolliert wird, denn kein Pärchen darf sich in der Öffentlichkeit zeigen, was weder verheiratet noch verwandt ist. Auch wir haben unsere mitreisende Freundin Petra der Einfachkeit halber als Nichte adoptiert. Eine Frau wird von den Sittenwächtern zurechtgewiesen, da ihre Haare zu weit unter dem Kopftuch hervorschauen.

Allerdings sagt man uns, dass es seit 3 Jahren wieder etwas liberaler zugeht, so dass die durchaus selbstbewussten Frauen wieder mutiger werden. Pflicht ist eine Kopfbedeckung, die alle Haare verdeckt (in modischer Version ein Kopftuch oder Schal) und der langärmlige Manteau, ein schwarzer Sommermantel, der manchmal schon gewagt körperbetont geschnitten ist. Die meisten Frauen laufen allerdings im schwarzen, bodenlangen Chador mit gesenktem Blick durch die Straßen und nehmen ihn selbst im Restaurant nicht ab, was sehr unbequem ist, vor allem bei der Sommerhitze.

Auch Petra und ich haben uns mit dem Kopftuch und den langärmligen Schlabberklamotten abgefunden, auch wenn es uns bei über 40 Grad im Schatten nicht gerade begeistert. Beim Besuch der Freitagsmoschee in Shiraz mussten wir sogar einen ausgeliehenen, stinkenden Chador überwerfen, und in der heiligen Stadt Mashad kommt man ohne ihn nicht einmal in die Nähe des Schreins.

Shiraz, das kulturelle Herz des Landes

Persepolis

Shiraz - trotz des Namens gibt es in der islamischen Republik natürlich keinen Wein, aber viel Kultur: Orientalische Märkte, Moscheen, wunderbare Teehäuser, romantische Gartenanlagen und inmitten dieser die Gräber der berühmten Dichter Hafiz und Sa'di, an denen Besucher ihre Gedichte zitieren (auch wir haben uns eine Taschenbuchausgabe von Hafiz' Divan gekauft und daraus vorgelesen).

Persepolis - die bis zu 2500 Jahre alten Ruinen der von Alexander dem Großen zerstörten Hauptstadt des achämenidischen Reiches zeugen noch immer von ungeheurem Wohlstand. Ein gewaltiges Areal des Palastes nimmt die einstige Schatzkammer ein. Reliefs berichten von mit Schätzen beladenen Delegationen aus fernen Ländern (von Äthiopien bis Indien) und zeugen von einer weit entwickelten Baukunst. Wir besuchen die erhalten gebliebenen Gräber von Cyrus, Dareios I. Und II. Sowie Artaxerxes I. und Xerxes I., große Herrscher, die in unseren Geschichtsbüchern kaum erwähnt werden.

Yazd, die Wüstenstadt

Windtürme bei Yazd

Mit einem bequemen, klimatisierten Volvo-Bus geht es auf einer hervorragenden Autobahn durch das Zagros-Gebirge weiter ins 7 Stunden entfernte, 1230 m hoch gelegene Yazd. Bei unserer Ankunft zeigt das Thermometer im Bus 46 Grad Außentemperatur. Das von einem jungen Holländer geleitete Silk Road Hotel, ein traditionelles Haus mit wunderschönem Innenhof und Wasserbecken, ist eine Oase, in der sich viele Backpacker von den Strapazen des Reisens erholen.

Aber wir sind erst am Beginn der Reise und können es kaum erwarten, die Altstadt trotz Hitze zu erkunden: Die hohen, mit bunten Fliesen bedeckten Moscheen, die ebenso wie die Kühlung spendenden Windtürme das Gewirr der im Verfall begriffenen Lehmhäuser überragen; die schmalen, überdachten Gassen, Gewölbe und Arkaden, in denen man sich wie in unterirdischen Gängen vorkommt und die restaurierten herrschaftlichen Häuser mit begrünten Innenhöfen.

Es wird der Geburtstag des Mahdi gefeiert, des kommenden Imam der Schiiten. In der Neustadt herrscht fieberhafte Betriebsamkeit. Am Straßenrand sind Kamele angebunden, die zu Ehren des Mahdis geschlachtet werden. Wir bekommen Limonade angeboten und Bonbons geschenkt.

Geisterort bei Yazd
An Mahdis Geburtstag

Welches Bild haben wir vom Iran?

Passanten fragen uns immer wieder, woher wir kommen. Man möchte unsere Meinung über den Iran hören, will wissen, welche Erfahrungen wir gemacht haben und heißt uns willkommen, lädt uns ein zum Tee oder gar zum Essen. Immer wieder kommen Frauen wie Männer auf uns zu und betonen, dass sie uns gern in ihrem Land sehen. Einige wünschen uns eine gute Reise und bitten uns, wenn wir zurück in unsere Heimat fahren, alle zu grüßen. Sie sind stolz auf ihr Land und seine lange Geschichte, während man uns durchaus zu verstehen gibt, dass man längst nicht hinter der derzeitigen Regierung steht.

Relikte der Zoroaster (Zarathustra)

Picknick in Chak Chak

Im Iran leben noch 20-30 000 Anhänger von Zarathustra, der 4000 Jahre alten ersten monotheistischen Religion, die vor dem Eintreffen des Islam weit verbreitet war.

Mit Mr. Loriam, einem Zoroaster, gehen wir auf Wüstentour zu verlassenen Siedlungen, schwingenden Minaretten, Feuertempeln und alten Karavansereien und nach Chak Chak, dem zoroastischen Heiligtum Pire Sabz.

Am oberen Berghang in einer Höhle tropft ununterbrochen Wasser von der Decke herab und begrünt einen winzigen Fleck in der schier endlosen Wüste.

Nach einer Überlieferung sind es die Tränen einer Prinzessin: Da Geologen  keine bessere Erklärung finden konnten, bleibt uns nichts anderes übrig, als daran zu glauben.

Isfahan, das touristische Highlight

Fototermin in Isfahan

Es sind Schulferien und die Stadt ist überfüllt mit einheimischen Touristen, die die kulturellen Schätze der Moscheen und Paläste bestaunen. Beim Besuch der Freitagsmoschee werden wir von einer einheimischen Reisegruppe, deren Guide Deutsch spricht, adoptiert und im Bus mitgenommen.

Sobald wir irgendwo eine Pause einlegen, setzt sich jemand zu uns, um sich zu unterhalten. Wir sind am Abend völlig erschöpft von den vielen Begegnungen, bunt leuchtenden Keramikfliesen, hohen Hallen und detaillierten, üppigen Gemälden.

Im armenischen Viertel Jolfa genießen wir das bislang beste Essen der Reise. Ansonsten hat uns die persische Küche eher enttäuscht. Die Auswahl in den Restaurants beschränkt sich meist auf kaum gewürzte Fleischspieße von Hühnchen oder Lamm mit Fladenbrot oder Reis.

Vom konservativen Kashan in die heilige Stadt Mashad

Im Bazar von Kashan

Kaum noch Touristen begegnen uns in Kashan südlich von Teheran. Dabei hat die Stadt einiges zu bieten, darunter wunderschön restaurierte riesige Residenzen reicher Familien, alte, stimmungsvolle Badehäuser und den von Kanälen durchzogenen orientalischen Fin Garten, der von sieben Quellen gespeist wird. Allerdings ist die Atmosphäre hier wesentlich konservativer als im lebhaften Isfahan. Die Frauen tragen fast alle den Chador und gehen mit gesenktem Blick durch die Straßen und den Bazar.

Zurück in Teheran geht es mit einem bis auf den letzten Platz gefüllten venezuelanischen Airbus A340 weiter nach Mashad. Trotz mehrerer Zusatzflüge in der Ferienzeit ist innerhalb der kommenden 2 Wochen kein Rückflug zu bekommen, so dass Petra in Teheran zurückbleibt. 4 Maschinen kommen gleichzeitig in Mashad an, doch wir sind die einzigen westlichen Touristen. Die meisten anderen sind schiitische Pilger.

Rings um das Grab des 8. Imam ist eine Millionenstadt entstanden, die ihre Existenz weitgehend den 12 Millionen Pilgern verdankt, die jedes Jahr hierher kommen, um den vor 1200 Jahren vergifteten Imam Reza zu betrauern. Selbst Tote werden noch vor ihrer Bestattung zu seinem Schrein getragen. Dieser ist umgeben von prunkvollen Moscheen, vergoldeten Minaretten und vielen Höfen, in der zur Gebetszeit hunderte von Teppichen ausgerollt werden. Frauen dürfen nur im Chador und Männer im langärmlichen Hemd hinein. Wer kein Muslim ist, kann den riesigen Komplex nur im Rahmen einer Führung besichtigen und darf den Schrein selbst nicht betreten. Uns wird eine nette, junge englisch sprechende Frau zugeteilt, die uns - soweit es möglich ist – herumführt und alles erklärt.

Gern würden wir noch länger bleiben, aber unsere beiden Mitbewohner müssen los. Sie ist aus der Schweiz, er aus Deutschland, und beide sind mit dem Motorrad unterwegs auf einer Rundreise und auf dem Weg von Rußland über Kasachstan, Kirgisistan, Uszbekistan und Turkmenistan zurück Richtung Europa. Wir haben sie bei Mr. Vali kennengelernt, der uns in seinem Privathaus beherbergt, das Stefan als Tipp aus einem Internetforum aufgetan hat. Die Unterkunft und das Essen sind einfach und die Betten hart, aber die Familie des Teppichhändlers, der englisch und deutsch spricht, bietet uns Familienanschluss. Zudem besorgt uns Mr. Vali die erforderlichen Chador und Hemden, fährt mit uns zum Schrein und bringt die Motorradfahrer zum Amt, wo sie ihren erforderlichen Berechtigungsschein für das rationierte Benzin beantragen können. Es sieht so aus, als würde dieses auch noch den kommenden Tag in Anspruch nehmen. Den werden wir nutzen, noch das Grab eines weiteren berühmten Dichters, Omar Khayam, zu besichtigen. Dann geht es über den Pass hinüber nach Turkmenistan.

 

Wenn wir dann irgendwann wieder Internetzugang haben, würden wir uns freuen, von euch zu hören.

Bis dann alles Liebe von

Renate und Stefan aus Mashad

weiter...

 

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