Ihr Lieben,
hinter uns liegt das Land der 6 Millionen Türkmen (wie sie sich selbst nennen), ein Land voller Widersprüche. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in der Metropole Ashgabat – die weiße Stadt mit protzigen Marmorpalästen und breiten, von Bäumen und Springbrunnen gesäumten Boulevards, die andere Hälfte überwiegend in der Wüste in Jurten und simplen Lehmbauten ein halbnomadisches, höchst einfaches Leben.
Der vor einigen Monaten verstorbene oberste Chef des Landes, der sich selbst den Titel Turkmenbashi (Führer der Türkmen) gab, ist überall gegenwärtig in Form vergoldeter überlebensgroßer Statuen, Bilder an Regierungsgebäuden und Tankstellen, auf Geldscheinen und sogar auf Wodkaflaschen. Mittlerweile tauchen auch Bilder seines Nachfolgers auf, der dem alten Turkmenbashi aufs Verwechseln ähnlich sieht. Kein Wunder, man munkelt, er sei der illegale Sohn des alten Führers.
Seine Untertanen freuen sich darüber, dass er ihnen kaum Steuern abknüpft und viele Geschenke macht, so sind Salz wie Gas kostenlos und Benzin wie Wohnungen zu eher symbolischen Preisen zu bekommen. Das hat der Turkmenbashi dem Öl und Gas zu verdanken, das reichlich aus dem Boden seines Landes sprudelt und den Neid seines armen uzbekischen Nachbarn erregt, dem er mit einem Kanal zudem das Wasser abzapft, das eigentlich über den Amu-Darya-Fluss (Oxus) in den Aralsee fließen soll.
Da sich der Führer überwiegend in der Hauptstadt aufhält, hat er dort einige wunderliche Dinge errichten lassen, wie eine 37 km lange Treppe zur Erhaltung der Gesundheit über die kahlen Berge vor den Toren der Stadt. Allerdings enden dort auch die vierspurigen Boulevards. Erst unter seinem Nachfolger wird der Straßenbau vorangetrieben, und viele von Schlaglöchern übersäte, schmale Straßen werden ausgebaut. Das ist für uns leider keine gute Zeit zum Reisen.
Doch erstmal zurück in den Iran: Von Mashad sind wir bereits um 5 Uhr morgens aufgebrochen und mit einem lokalen Bus voller Einheimischer (und mindestens eines Flohs, der mich wieder mal erwischt hat) über die Berge zur Grenze gefahren. Zur gleichen Zeit sind in Ashgabat Aylan, unsere turkmenische Reiseleiterin, und Alexej, ein großer, blonder russischer Fahrer, gestartet, um uns wie verabredet um 11 Uhr an der Grenze abzuholen. Wir haben für Turkmenistan eine Gruppenreise (nur für uns 2) gebucht, da wir ansonsten mit einem maximal 5-tägigen Transitvisum und ohne eigenen Transport vieles nicht hätten sehen können. Die Grenzformalitäten nehmen allerdings ganze 2 Stunden in Anspruch (wer Näheres wissen will, kann es am Ende der Mail nachlesen). Hinzu kommen 1 1/2 Stunden Zeitunterschied, so dass wir mit zweistündiger Verspätung endlich die Beiden treffen und ich meine langärmlige Kurta und das Kopftuch ablegen kann.
Sofort geht es nach Mary ins Museum, dann zu den Ruinen der alten Stadt Merv, der „Königin der Welt“, wo wir noch nach Sonnenuntergang den lebhaften Erzählungen von Aylan lauschen über die Blütezeit der Stadt als bedeutendes wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Seidenstraße und die Zerstörungen durch Dschingis Khan 1221, der 300 000 Bewohner niedermetzeln ließ. Am nächsten Tag geht es mit dem Jeep in die Wüste und weitere 4 Jahrtausende zurück. Unter der Leitung eines Moskauer Archäologen griechischer Herkunft ist man gerade dabei, in Gonur Depe eine über 5000 Jahre alte Stadt auszugraben, deren Kultur bereits so hoch entwickelt war, dass man von einer neuen frühen Hochkultur spricht. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass hier Zarathustra gelebt haben könnte. Beim Rundgang durch die einsame, vom Wüstensand befreite Ruinenlandschaft nimmt uns diese uralte Kultur gefangen und scheint uns näherzurücken.
Weiter nach Ashgabat, in die weiße Stadt aus der Zeit des Ölreichtums. Abends sind die neuen, weißen Apartmenthochhäuser hell angestrahlt, die Baukräne mit Lichterketten geschmückt, und selbst die Gartenmauern zieren Lampen und erleuchten die gepflegten Rasenflächen und Bürgersteige, auf denen kein Mensch zu sehen ist. Ich frage mich: Was wird von all den Marmorpalästen und goldenen Statuen in 5000 Jahren bleiben? Erst 1948 ist die gesamte Stadt durch ein Erdbeben der Stärke 9 dem Erdboden gleich gemacht worden.
3 Tage erkunden wir auf eigene Faust die touristischen Highlights, gehen auf den großen Sonntagsmarkt – den größten Markt Zentralasiens – und zum Pferderennen, wo auch die gesamte Elite des Landes anwesend ist. Die VIPs sind durch eine große Zahl Uniformierter und nicht Uniformierter geschützt, von denen uns aber einige dann doch einladen, auf der Tribüne bei ihnen Platz zu nehmen. Leider hat der alte Turkmenbashi aus Sorge um sich und sein Land ein gewaltiges Heer an Polizei und Geheimpolizei geschaffen und viele Verbote erlassen. So wird das Internet (öffentlich zugänglich nur im einzigen 5-Sterne-Hotel zu horrenden Preisen) überwacht. Auch Regierungsgebäude dürfen nicht fotografiert werden, was das Zentrum von Ashgabat fast völlig zur fotofreien Zone macht.
Aber wie immer gibt es Möglichkeiten, sinnlose Verbote zu umgehen. Hunderte von Verkehrspolizisten passen auf, dass alle angeschnallt sind und nicht zu schnell fahren, aber sobald man die bekannten Checkposten hinter sich hat, wird der Gurt abgelegt und aufs Gaspedal gedrückt. Auch bei der Bank tauscht hier niemand zum offiziellen Kurs sondern nur auf dem Schwarzmarkt.
In Ashgabat wohnen wir am Stadtrand und sind auch einmal mit dem Bus für 3 Cent ins Zentrum gefahren. Aber dann haben wir es wie die Einheimischen gemacht und einfach an der Straße ein Auto angehalten. Wenn es hält und in die gewünschte Richtung fährt, steigt man ein. Anfangs wollten wir noch den Preis vorher aushandeln, aber erhielten oft nach dem „Wieviel“ als Antwort: „Soviel ihr wollt“. Natürlich erwarten die Fahrer etwas Geld, meist unter 1 $, aber es hat uns keiner zu verstehen gegeben, dass wir mal zu wenig gezahlt hätten.
Morgens um 6 Uhr werden wir von 2 Russen (Dimitrij & Dimitrij) mit 2 gut ausgerüsteten Geländewagen (einem russischen und einem japanischen Modell) zu unserer 3-tägigen Tour durch die Karakum Wüste abgeholt. Der japanische Jeep fährt nur zur Sicherheit mit, und am Ende der Tour wissen wir auch warum. Trotz ausreichender Wasser- und Lebensmittelvorräte wünscht sich keiner von uns hundert Kilometer abseits jeder menschlichen Siedlung in der heißesten Wüste Zentralasiens auf einer Piste liegenzubleiben, die höchstens alle drei Tage mal von einem Kameltransporter befahren wird.
Sobald wir die Landstraße nach Norden in Jerbent verlassen, geht es in rasantem Tempo über hohe Sanddünen und durch kahle, weite Senken. Diese verwandeln sich in der kurzen Regenzeit in riesige Schlammwüsten, die dann für Fahrzeuge wie Kamele unpassierbar werden. Am Rand der Senke blinkt Quarz wie silberne Spiegel in der Sonne. Ab und an lässt sich eine Eidechse, eine Wüstenmaus und sogar eine Schlange sehen. Auch ein seltener Laufvogel taucht auf. Er wird hier gern von Saudis gejagt, die dafür mit Jumbos einfliegen und alles mitbringen: Jeeps samt Benzin, riesige Zelte, Wassertanks und Duschen, das feinste Essen und mehr.
Ich hätte Dimitrijs Erzählungen für etwas übertrieben gehalten, hätten wir nicht selbst die „Araber-Pisten“ gesehen, die extra für die Jagd angelegt wurden und in einem Gitternetz im Abstand von 50 km schnurgerade die Wüste durchpflügen. Von Einheimischen werden sie nicht befahren, denn sie sind zu steil. Das will was heißen, denn einige unserer Dünen hatten es durchaus in sich und stellten selbst für unseren kräftig gebauten, hervorragenden Fahrer Dimitrij eine Herausforderung dar. Wie sich herausstellt, ist er der letzte sowjetische Meister im Zehnkampf, aber da mit diesem Sport nun kein Geld mehr zu verdienen ist, hat er sich auf andere Geschäfte verlegt. Die Wüstentouren macht er mehr aus Spaß an der Sache, denn im Grunde seines Herzens liebt er das Leben der Nomaden, wie wir schon bald feststellen.
Nach 120 km Pistenfahrt ist Damia erreicht, ein abgelegenes Dorf von Viehzüchtern in einer Senke; eine Ansammlung von Lehmhäusern und Jurten, dazwischen Kamele, Schafe, Ziegen, Jagdhunde, einige Motorräder und LKWs – ein Bild aus einer anderen Welt und Zeit. Wir werden in einer Jurte einqartiert, ins Nachbarhaus zum Tee eingeladen, von anderen Nachbarn mit Kamelmilchtee und cremiger Kamelmilch bewirtet, von den Frauen aufgefordert mitzukommen zum Kamele melken und tränken. Abends wird noch ein junges Kamel mit Branntzeichen versehen – ein schmerzhafter Prozess. Dann gibt es wie mittags und am folgenden Tag Hammeleintopf – diesesmal ergänzt mit Kamelquark, der recht gut schmeckt. Ständig werde ich aufgefordert zu fotografieren, und mir ist schon etwas Angst und Bange um meinen Akku, denn eine Auflademöglichkeit werde ich erst wieder in Uzbekistan haben.
Am folgenden Morgen sind es bei unserer Abfahrt kaum 12 Grad – 30 Grad weniger als am Mittag, als wir nach 4 Stunden den Gas Crater erreichen, wo wir unser Camp aufschlagen. Aus der Tiefe des etwa 66 m weiten, kreisrunden Lochs schlagen Flammen empor - eine brennende Gasblase, die durch eine fehlerhafte Gasförderung in den 50er Jahren eingebrochen ist und wo nun seit Jahrzehnten Gas verbrennt, das vermutlich eine ganze Stadt versorgen könnte. Wir nähern uns so weit dem Inferno wie wir die Hitze ertragen können und weichen schnell zurück, als der Wind sich dreht und in unsere Richtung weht. In der Nacht sind die meterhohen Flammen noch beeindruckender, aber am beendruckendsten ist der Sternenhimmel in der menschenleeren Wüste.
Allerdings müssen wir wegen der giftigen Schlangen, Spinnen und Skorpione im Zelt schlafen.
Die Tour endet mit einer weiteren kurzen Pistenfahrt und einer viel zu langen Strecke über Baustellen bis nach Konye-Urgench, einem einst bedeutenden Zentrum der Seidenstraße. Die hiesige Architektur der erhalten gebliebenen Minarette, Metrassen und Mausoleen war wegweisend für die prächtigen Bauten der späteren großen Zentren entlang der Seidenstraße. Geblieben ist ein verschlafener Ort und die Ausgrabungsstätten, die von vielen Pilgern besucht werden. Es sind vor allem Frauen, die auf den Ruinen des Forts um Fruchtbarkeit bitten und alte Bräuche wieder aufleben lassen. Großfamilien sitzen vor den Mausoleen und beten, andere umrunden gegen den Uhrzeigersinn alte Gräber oder bauen kleine Steinpyramiden wie in der Mongolei und Tibet (auch hier hat Dschingis Khan seine Einflüsse hinterlassen).
Am liebsten möchte ich auch eine kleine Steinpyramide bauen, denn ich hoffe inständig, dass der Laptop, auf dem ich die Bilder speichere, das ständige Holpern und Schütteln überstanden hat, obwohl er gut gepolstert auf der Mitte des Rücksitzes ruhen durfte. Das werde ich erst wissen, wenn wir die Grenze (nur 1 Stunde) hinter uns gelassen haben und mit einem Taxi in Nukus angelangt sind.
Im Hotel sind wir allerdings erst einmal damit beschäftigt, unsere Rucksäcke, Kleidung und uns selbst vom Wüstenstaub zu befreien. Noch während wir uns dem Luxus einer warmen Dusche hingeben, spüren wir die ersten Anzeichen eine ungeheuren Müdigkeit, alle Knochen beginnen zu schmerzen – was sogar noch am nächsten Tag anhält.
Wie ihr an dieser Mail ersehen könnt, haben wir uns dann aber wieder erholt, und auch der Laptop funktioniert, auf dem ich nun diese Mail beende, um noch den Abend in der angenehmen Stadt Chiva zu genießen. Mehr über Uzbekistan dann in der nächsten Mail.
Mit herzlichen Grüßen von der Seidenstraße verabschieden sich
Renate und Stefan
Taxi aus der Innenstadt von Mashad zum Busbahnhof 25000 IR.
Um 5.30 Uhr alle Schalter noch geschlossen.
Mercedes Bus fährt gegen 6.30 Uhr für 8500 IR p.P. die etwa 220 km bis nach Sarakhs.
Ankunft gegen 11.00 Uhr, Fahrt führt auf guter Straße über einen Hügelrücken, danach die turkmenische Ebene.
Bus hält in Sarakhs an der Hauptstraße, etwa 2 km von der ersten Kontrolle entfernt. Taxi kosten 10000 IR.
Großer iranischer Kontrollpunkt mit viel LKW-Verkehr aber kaum Fußgänger.
Gleich am Eingang erste Passkontrolle. Daten werden handschriftlich in ein dickes Buch eingetragen.
Etwa 300 m zu Fuß in das große Abfertigunggebäude. Beim Zoll werden alle Gepäckstücke geröntgt. Sehr freundlich, nur Renates zahlreiche Ladegeräte und Kabel müssen erklärt werden.
Dann weiter zu einem kleinen Fenster, in dem ein iranischer Grenzbeamter alle Pässe der Ausreisenden, die hauptsächlich aus LKW-Fahrern bestehen, einsammelt und in einen Computer eingibt. Das dauert etwa 30 Minuten. Bei der Ausgabe werden unsere Pässe mehrere Male mit den Gesichtern verglichen, bevor wir sie wieder in der Hand haben. Die gesamte Beschilderung im iranischen Abfertigungsgebäude ist nur auf Farsi und Russisch.
Ein kleiner Bus wartet am Ausgang und fährt uns die etwa 2 km bis zur turkmenischen Abfertigung über eine recht schmale Brücke über den Grenzfluss. Der Fahrer verlangt dafür 2US$ und ist nicht glücklich, als wir ihn mit unseren letzten IR bezahlen.
Gleich hinter der Brücke erfolgt die erste Registrierung wieder in einem dicken Buch handschriftlich.
Danach fährt der Bus weiter bis zum Hauptgebäude. Hier werden wir von einem Mann in weißem Mantel in Empfang genommen, aber es erfolgt keine medizinische Untersuchung, sondern wir werden nach vielen Schweinsteigers und Ballacks wieder in einem dicken Buch registriert und dann zum turkmenischen Grenzbeamten gebracht. der unsere Daten in einen Computer eingibt und einen sehr offiziell aussehenden Departure Sheet for the Foreigner aussstellt. Das kostet p.P. 10 US$, die gleich daneben bezahlt werden müssen. Darauf sind die Reiseroute und die Ausreisedaten vermerkt. Auf seinem Schreibtisch liegen bereits die vom Reisebüro ausgefüllten Entry Travel Passes des State Committee of Turkmenistan for tourism and sports, von denen uns 2 der 3 Abschnitte überreicht werden.
Dann wird das gesamte Gepäck wieder geröntgt und man kommt zum Zoll. Hier wird nach unseren Angaben eine nur in turkmenisch verfasste Zollerklärung ausgefüllt, in der alles Bargeld, Kamera, Laptop, Handy etc. deklariert werden müssen. Das kann dauern, da zur gleichen Zeit die gesamte Ladung eines 40 t-LKWs ebenfalls geröntgt wird. Da es sich dabei um Dosenfarben handelt, werden bei jedem dritten Karton Stichproben vorgenommen, in dem ein Zöllner eine Dose öffnet und mit einem Draht nach Verborgenem sucht.
Nach über zwei Stunden sind alle Formalitäten endlich erledigt, wir laufen über einen staubigen, mit Sattelschleppern zugeparkten Hof zu einer weiteren Schranke und sind endlich in Turkmenistan angekommen. Wie erwartert werden wir von Aylan, unserem weiblichen Guide von Stan-Tours in Empfang genommen.
Wer keine Tour gebucht hat, kommt von diesem Grenzübergang nur sehr schwer weiter. Es fahren nur 2 Busse täglich zu unregelmäßigen Zeiten und einige Minibusse, die 30 US$ kosten. Die nächste Stadt, Mary, liegt über 2 Fahrstunden entfernt.