TRAVELSTORIES – Stefan & Renate Loose unterwegs

gesammelte Briefe 2004–2024

24.10. - China

Ihr Lieben,

auch wenn wir uns nicht lange in China aufgehalten haben, möchten wir doch der Tradition folgend euch eine Mail vom äußeren Westzipfel Chinas aus Xinjiang (Kashgaria) schicken. Selbst in wenigen Tagen kann man auf Reisen allerhand erleben.

 

Über den Turugart Pass

Erinnert euch noch an unseren Grenzübertritt nach China? Kurz hinter dem Pass in 3752 m Höhe werden nur unsere Pässe kontrolliert. Dann folgen wir einem weiten Flussbett, durch das sich während der Schneeschmelze ungeheure Wassermassen hinabwälzen müssen. Erst nach 3 Stunden ist der eigentliche Grenzkontrollpunkt im Tal erreicht, der nicht nur für den Grenzübergang am Torugart Pass sondern auch für den am Irkeshtam Pass Richtung Sari-Tash zuständig ist.

Nachdem wir uns durch das Chaos der wartenden LKWs geschlängelt haben, die separat abgefertigt werden, betreten wir den großen, leeren Kontrollpunkt. Die Grenzer müssen erst aus dem Büro geholt werden, aber dann verläuft die Abfertigung preußisch korrekt. Sogar der Gesundheitsdienst tritt in Aktion, und wir müssen eine Erklärung unterschreiben, dass wir uns nicht in der Nähe von Vögeln aufgehalten haben und weder verschnupft sind noch ein Kratzen im Hals verspüren – die Vogelgrippe lässt grüßen. Obwohl ich mich in Naryn erkältet habe, unterschreibe ich und unterdrücke mein Schniefen. Da für den Chef der Grenztruppen unser Bus eine willkommene Gelegenheit ist, nach Kashgar zu kommen, muss ich noch eine weitere Stunde ausharren, bis ich mich endlich wieder räuspern darf.

 

Erholsame Tage in Kashgar

Nach insgesamt 11 Stunden ist endlich Kashgar erreicht, wo wir bereits vor 2 Jahren auf dem Weg von Pakistan nach Urumqi einige interessante Tage verbracht haben. Wir ziehen in unser altes Hotel ein, befreien uns dieses Mal vom Staub des Tian Shan und genießen das hervorragende chinesische Essen, das mit dazu beiträgt, dass nach zwei erholsamen Tagen meine Erkältung vorbei ist.

Im chinesischen Restaurant neben unserem Hotel herrscht zwischen 18 und 20 Uhr Hochbetrieb. In dieser Zeit werden etwa 200 Gäste abgefertigt. Die Portionen sind groß und kosten meist 20-30 Yuan (2-3 Euro), eine Flasche Bier 5 Yuan. Das teuerste Gericht für 888 Yuan (8 ist eine Glückszahl!) ist ein gegrilltes Lamm, das komplett von Kopf bis Fuß mit einer roten Schleife um den Hals an den Tisch gerollt und dann fachkundig zerlegt wird. Dieses Hauptgericht mit einigen Beilagen wird von 20 Gästen an 2 Nachbartischen in Windeseile vertilgt. Nach einem Trinkspruch und einigen Verdauungsschnäpsen löst sich bereits nach einer knappen Stunde die Gesellschaft wieder auf, während wir noch gemütlich bei unserem zweiten Bier unseren zweifach gebratenen Schweinebauch mit Chilies genießen. Schweinefleisch und frisches Gemüse sind auf unserer Reise durch die muslimischen Länder absolute kulinarische Highlights, auf die wir bald wieder verzichten müssen, ebenso auf das Bier.

 

Die Altstadt, die von muslimischen Uiguren bewohnt wird, ist immer noch faszinierend bunt und voller Fotomotive, aber wieder ein wenig kleiner geworden. Immer mehr verschlingt die moderne chinesische Stadt das alte Kashgar. Wir erfahren, dass am großen Wochenmarkt gerade ein uigurisches Hotel abgerissen worden ist. Der Staat hat den ehemaligen Besitzern 80 Euro pro Quadratmeter Entschädigung gezahlt, aber chinesische Businessmen sollen bereit sein, den Platz für mehr als das Zwanzigfache zu kaufen. Ist es nur ein Gerücht? Wir wissen es nicht, spüren aber überall die Spannung zwischen Uiguren und Chinesen.

Es gibt wieder Touristen

Seit Samarkand haben wir nicht mehr so viele Touristen getroffen. Neben amerikanischen Reisegruppen und einigen Travellern sind es drei junge Briten, die mit einem London-Taxi unterwegs sind, und zwei Autoren-Kollegen. Die Informationszentralen für Backpacker waren vor zwei Jahren noch John´s Cafe und das Caravan Cafe. Beide sind geschlossen und es heißt, dass die amerikanischen Betreiber als christliche Missionare enttarnt und ausgewiesen worden sein sollen. Nun hat das Reisebüro im Chini Bagh Hotel ihre Funktion übernommen, und Abdulwahab beantwortet die Fragen der Traveller, ob sie nun mit einem Jeep nach Ali und Tibet wollen oder mit einem Kamel durch die Gobi.

Wir wollen nur nach Pakistan, aber das erweist sich wieder einmal als nicht so einfach. Es gibt zwar einen Bus, der in zwei Tagen die 512 km nach Sost, dem ersten Ort hinter der Grenze, fährt, aber nicht an jedem Tag. Heute könnten wir fahren, aber morgen? Das weiss man erst morgen früh, und so stehen wir kurz nach 7 Uhr in seinem Büro. Er ruft am Internationalen Busbahnhof an und erfährt, dass um 10 Uhr ein Bus abfahren soll. Also setzen wir uns in Bewegung. Als wir am Busbahnhof unser Ticket kaufen, werden wir gleich unserem Fahrer vorgestellt – einem großen, kräftigen Uiguren mit einer Engelsgeduld, und die braucht er.

 

Mit Businessmen über den Khunjerab Pass

Wie sich herausstellt gibt es außer uns 7 weitere Reisende, die bereits seit gestern warten, denn der Bus fährt erst mit mindestens 8 Passagieren los. Es sind 6 pakistanische Businessmen und ein chinesischer Student aus Lanzhou, der in Islamabad Arabisch studiert und einmal im Jahr nach Hause fährt, wofür er eine Woche braucht. Die Businessmen haben kräftig eingekauft und ganze Berge von Kartons, Rohren, Platten und Plastikwannen bereits neben dem Bus unter Planen gestapelt. Als klar ist, dass der Bus fährt, holen sie weitere Kisten mit Elektronik, Decken, Kinderfahrräder und Teppiche aus dem angrenzenden Hotel, dessen Messingplakette die Aufschrift: „Resist Bacteria Hotel" trägt.

 

Die Verhandlungen über den Aufschlag fürs Übergepäck ziehen sich in die Länge. Dann muss erst alles auf dem Dach und im Innnenraum verstaut werden, und schließlich fehlt einer der Businessmen – er war noch mal schnell einkaufen – so dass wir mit über einstündiger Verspätung losfahren. Schon bald geht es hinauf in die Berge, vorbei am Kara-Kul-See nach Tashkurgan, unserem Übernachtungsort. Es ist beißend kalt, und am folgenden Morgen sind die Fenster unseres Zimmers mit Eisrosen bedeckt.

 

Zwei der Businessmen haben die letzte Chance genutzt, in China einzukaufen, und kommen mit einiger Verspätung in einem Kleintransporter mit weiteren Kisten und Säcken an. Dann geht es zur Grenzabfertigung am Ortsausgang. Sie öffnet erst um 9 Uhr, so dass Stefan genügend Zeit bleibt, die Ausreisekarten auch für einige der Mitreisenden auszufüllen, die weder Englisch noch Chinesisch verstehen. Als der Zoll schließlich eintrifft, beginnt man gleich mit den Verhandlungen, aber es führt kein Weg daran vorbei: Der Bus muss entladen werden und zumindest ein Teil der Kisten durch die Röntgenkontrolle. Vorsorglich haben unsere Businessmen 6 lokale Packer engagiert, so dass alles in einer guten Stunde erledigt ist. Es dauert eine Weile, bis sich die herumwuselnden Businessmen wieder beruhigt haben, im Bus sitzen und die Pässe erneut kontrolliert werden können.

In Begleitung eines Grenzsoldaten geht es nun bei 6 Grad Innentemperatur im Bus hinauf auf den 4730 m hohen Khunjerab Pass, der die Grenze zwischen China und Pakistan bildet. Auch wenn wir uns für die Tour alle warmen Sachen übereinandergezogen haben, wird es doch empfindlich kalt. Zum Aufwärmen setzen wir uns abwechselnd auf die warme Motorhaube. Dennoch ist die Stimmung gut, und einer der Businessmen öffnet eine Kiste mit Trauben und verteilt sie unter den Mitreisenden.

 

Auf der anderen Seite des Passes in Pakistan wechseln wir die Fahrspur (nun herrscht Linksverkehr und Alkoholverbot). Die Straße windet sich durch enge Schluchten vorbei an steil aufragenden Bergen. Wir scheuchen eine Herde Ibixe auf, die sich in Windeseile über eine Geröllhalde davonmacht. In Sost geht es nach der Passkontrolle auf den Zollhof.

Wir beide dürfen mit unserem Gepäck gleich weiter, denn im Bus harrt saftigere Beute. Draußen finden wir ein Taxi, das uns in 1 1/2 Std. vorbei an Passu und Gulmit (zu kalt) nach Karimabad im Hunzatal bringt. Von allen Orten im Norden Pakistans ist dieses unser Lieblingsort. Nach dem kahlen Hochgebirge erscheint er uns geradezu paradiesisch.

 

 

Aus diesem wunderschönen Tal, unserem Shangri-la, mit überaus freundlichen, endlich englischsprachigen (!!!) Leuten grüßen euch ganz herzlich

 

Renate und Stefan

 

 

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