Ihr Lieben,
nachdem wir nun schon seit drei Wochen durch Malaysia fahren und die ersten Beschwerden über unser Schweigen eingetroffen sind, will ich unseren einzigen freien Nachmittag auf Langkawi nutzen, diese in Penang begonnene Mail zu beenden. Dabei ist der Perspektivwechsel gerade beachtlich, denn vor 2 Stunden haben wir noch im Wipfel einer 30 m hohen Würgefeige gesessen - aber mehr darüber später.
Wir sind wieder einmal unterwegs auf ausgetretenen Pfaden: Kuala Lumpur, Cameron Highlands, Pangkor Island, Penang und nach einer ausgiebigen Tour im Grenzgebiet zu Thailand nun Langkawi - das Übliche: moderne Hochhäuser und Einkaufszentren, Reste von Dschungel, Inseln mit tropischen Stränden, viele Hotels und Gästehäuser, die wir bereits kennen, sowie einige neue. Wir kommen uns vor wie Trüffelschweine, sind ständig auf der Suche nach Neuigkeiten und Veränderungen, die seit unserem letzten Besuch stattgefunden haben.
Andererseits überrascht uns Malaysia immer wieder mit Neuem, obwohl wir nun seit fast 30 Jahren regelmäßig das Land bereisen. So waren wir noch nie im Februar hier unterwegs, da es an der Ostkueste derzeit wie aus Kübeln gießt. Ab und an erreicht ein Regenschauer auch die Westküste, wo wir uns derzeit bewegen, aber dank unserem Sohn Mischa, der bereits zu einer günstigeren Jahreszeit die Ostküste recherchiert hat, bleibt uns eine Tour entlang der vom Monsun gepeitschten Küste erspart.
Dafür konnten wir erstmals das Thaipusam-Fest an den Batu Höhlen erleben, das größte hinduistische Fest in Südostasien, bei dem sich Männer, v.a. Auswanderer aus Südindien, in Trance Haken in die Haut bohren und daran aufgehängte Gewichte, Früchte und sogar ganze Altäre kilometerweit durch die Straßen tragen, sich zudem große Nadeln durch Lippen und Zunge stoßen, alles sehr aufregend und bei 30 Grad im Schatten extrem Schweiss treibend.
Andererseits haben wir noch das Ende der chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten erleben können mit akrobatischen Löwentänzen vor gewaltigen Einkaufszentren und in den schmalen Gassen der Chinatown. Dabei waren wir von der Akrobatik einiger Tanzgruppen schwer beeindruckt und ich frage ich mich, wieweit diese überaus modern gekleideten Menschen in den hypermodernen Konsumtempeln überhaupt in den chinesischen Traditionen verhaftet sind, oder ob das alles bloß noch Folklore ist. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie so oft dazwischen.
Malaysia überrascht auch immer wieder mit neuen Skurilitäten.
So ist derzeit ein Trend zur Verkleinerung von Großprojekten festzustellen, die manchmal dann ihrer eigentlichen Funktion nicht mehr gerecht werden. So wurde im Zentrum von Tanah Rata in den Cameron Highlands ein neuer zweistöckiger Terminal für Busse (unten) und Taxis (oben) errichtet, allerdings sind die Busse zu hoch und die Taxis nicht wendig genug, um die enge Auffahrt hinaufzufahren (oder sollte es an dem Architekten gelegen haben, der das Objekt etwas geschrumpft hat, damit es in die Baulücke passt?).
Als weiteres entdeckten wir auf der Insel Pangkor ca. 1,20 m hohe Laternenmasten, die auf 1 m hohe Sockel montiert werden mussten, um ihre Funktion zu erfüllen, sowie ein Ministadion, dessen Sinn wir uns erstmal erklären lassen mussten und das wahrscheinlich niemals seine Funktion erfüllen wird. Nur 3 km weiter erhebt sich neben der Straße ein nett aussehender Aussichtsturm, auf den eine Wendeltreppe (nur für Schlanke) hinaufführt. Von 3 m Höhe blickt man dann - aufs Meer!
Die Insel hat zudem eine aufregende Tierwelt, zahlreiche Nashornvögel und Seeadler, denen wir beim Fischen zusehen konnten, und Makaken, die mir ein aufregendes Erlebnis beschert haben.
Ich sitze nichts ahnend auf einer Schaukel unter einem riesigen Baum am Strand, hinter mir eine grosse Wassertonne und vor mir das endlose Meer - plötzlich ein Platschen, und bevor ich es zuordnen kann, werde ich nassgespritzt und hin und her geschaukelt. Als ich mich umdrehe, blicke ich direkt in die Augen eines riesigen Makaken-Männchens, das nach einem Sprung in die Tonne sich nun das Wasser aus dem Fell schüttelt und mich mit eindeutigen Gesten (Zähne fletschen ...) aus seinem Revier vertreiben will. Nach der ersten Schrecksekunde toleriere ich das Recht des Einheimischen und ziehe mich zurück. Dafür kann ich einer lustigen Bade-Session der gesamten Affenfamilie zuschauen, ohne dass sie sich weiter an mir stören.
Nun Langkawi - eine weitere Insel, so etwas wie Malaysia in Miniaturformat. Nachdem sie gerade dabei sind, den ersten Highway über die Insel zu bauen, fehlt ihnen nur noch eine Eisenbahn, oder auch nicht. Schließlich gibt es stattdessen eine futuristische Seilbahn mit dem längsten Kabel der Welt, die eine tolle Tour auf steile, von Dschungel bedeckte Kalkberge bis in 700 m Höhe ermöglicht. Die schweizer Ingenieurtechnik vermittelt dabei ein Gefühl von Sicherheit, und die Kabinen, Aussichtsplattformen und Stahlbrücken in luftiger Höhe sind ausgesprochen bequem.
Heute folgte dann das Kontrastprogramm: Nach einem halbstündigen Dschungelmarsch und einer Einführung in die Klettertechnik sind wir nur an einem Stahlseil hängend wie Tarzan ueber 50 m tiefe Täler durch den Dschungel gedüst, haben uns an steilen Granitwänden abgeseilt und uns zum Schluss aus der Gipfelregion einer mächtigen Würgefeige 30 m tief abgeseilt.
Genug der Aufregung! Nun werden wir den restlichen Nachmittag noch für das erste Bad im fast spiegelglatten, etwa 30 Grad warmen Meer nutzen und morgen dann ins Landesinnere aufbrechen.
Renate und Stefan