TRAVELSTORIES – Stefan & Renate Loose unterwegs

gesammelte Briefe 2004–2024

28.3.06 Aus Ost-Malaysia

Ihr Lieben,

nach dem Abschluss unserer Recherche in West-Malaysia und Singapore ist es nun wirklich an der Zeit, dass wir uns wieder einmal melden. Allerdings haben wir so viel zu tun, dass wir bislang kaum dazu gekommen sind, Mails zu schreiben oder zu beantworten. Vor allem die Recherche der Städte (Kuala Lumpur, Melaka, Singapore und Kuching) hat viel Zeit erfordert. Vieles ist nur zu Fuß zu erledigen, was bei 36 Grad im Schatten ziemlich ermüdend aber trotzdem recht spannend sein kann. Die Reise von Singapore über Kuching ins Landesinnere ist für Stefan und mich von besonderer Bedeutung, da sie 1978 als unsere erste gemeinsame Asienreise begann und wir seither viele Erinnerungen und Freunde mit diesen Orten verbinden.

 

Von Langkawi aus haben wir eine ziemlich anstrengende Tour durch das unbekannte Malaysia hinter uns gebracht, Gerik, Keroh, Kuala Kangsar, Ipoh, Seremban ... recherchiert, und uns manchmal gefragt, ob wir vielleicht die einzigen Deutschen sind, die diese Orte besuchen.

Einzig im Taman Negara Nationalpark, in Melaka und natürlich in Kuala Lumpur haben wir viele andere deutsche Backpacker und Touristen getroffen. Hier hat sich auch viel verändert, so dass wir von morgens bis abends auf den Beinen waren. Da es viel Interessantes zu entdecken gab und wir natürlich den Anspruch haben, das Buch so gut wie möglich zu recherchieren, blieb kaum Zeit für private Aktivitäten (Kino, Bücher ...) außer natürlich für alte Freunde und Bekannte. In Kuala Lumpur haben wir auch unseren alten Freund Ramchand getroffen. Er ist Inder, betreibt seit Jahrzehnten ein Reisebüro für Jugend- und Studentenreisen und hat uns gleich erst mal zu einem Tourismusseminar als Gastdozenten geschickt (eine Geschichte für sich).

Am nächsten Abend hat er uns eingeladen in den Selangor Club, in dem er seit Anfang der 70er Jahre Mitglied ist, und der im Herzen der modernen City noch Traditionen aus längst vergangener britischer Kolonialzeit pflegt. Noch immer ist es den Damen nicht gestattet die Bar zu betreten, und Herren haben natürlich Hemden und Schuhe zu tragen. Das mit den Schuhen war noch zu regeln, Stefan durfte mit Socken und Sandalen rein (seine einzigen anderen Schuhe: Armeestiefel für den Dschungel wären wirklich deplatziert gewesen) - aber das Hemd! Ramchand konnte gar nicht glauben, dass es Männer gibt, die ohne Hemd durch die Welt reisen, und so sind wir eine Stunde vor dem Abendessen noch schnell in ein Factory Outlet gefahren, um Stefan neu einzukleiden. In wenigen Minuten war das passende Hemd (ein Markenhemd für 5 Euro) gefunden, und da es 2 Hemden für den Preis von einem gibt, ist er nun stolzer Besitzer von 2 Hemden und einer neuen Hose! Ihr würdet ihn kaum wiedererkennen.

Singapore

Es gibt wohl keinen anderen Ort, in dem wir einen derartigen Wandel erlebt haben. Das ist uns bei diesem Besuch besonders aufgefallen, da wir während der letzten Recherche nicht in Singapore waren (das hat dankenderweise und ausgezeichnet Anne Dehne - jetzt in Melbourne, früher in Singapore zu Hause - übernommen). Die Esplanade, das neue Kulturzentrum direkt am Wasser, ist das Schaustück des modernen, glas- und chromglitzernden Singapore - eine andere Welt. Wir wohnten wie immer in den letzten Jahren bei unserem Freund Sascha, und selbst der Coffeeshop um die Ecke, zu dem wir immer essen gehen, legt nun weiße Tischdecken auf und hat moderne Metallstuehle angeschafft. Wo vor wenigen Jahren noch Plastikstühle und einfache Essenstände die Straßen säumten, sind nun Gourmet-Tempel entstanden.

Die entspanntere politische Atmosphäre hat in restaurierten alten chinesischen Shophäusern Kneipen und Clubs wie Pilze aus dem Boden sprießen lassen. Es gibt sogar nette spanische und marokkanische Restaurants sowie ein breites Unterhaltungsangebot, das von der gut verdienenden jungen Generation reichlich genutzt wird.

Auch in der Backpackerszene hat sich viel getan: Mittlerweile gibt es in Singapore ebenso wie in Kuala Lumpur und Kuching richtig nette, stilvolle Backpacker in sauberen, luftigen Räumlichkeiten mit freundlichem Personal aber auf gehobenem Preisniveau. Diese neue Generation von Boutique-Hostels werden meist von jungen, kreativen Leuten gemanagt, die entweder selbst lange in Europa oder Australien gereist sind oder einen ausländischen Partner haben. Über diese neue Entwicklung freuen wir uns natürlich sehr und hoffen, dass die neuen Ideen auch in andere Orte vordringen - wie beispielsweise Sibu am unteren Rajang River, wo wir uns gerade befinden. Hier ist die einzige preiswerte Alternative zu schmuddligen Stundenhotels das Gästehaus der Methodisten.

Unsere weitere Reise

Derzeit sind wir mit einem Geländewagen unterwegs von Kuching nach Kota Kinabalu. Die meist gut ausgebauten Straßen haben wir erst einmal verlassen, um zu einem Iban-Langhaus am Skrang River zu fahren, das bislang nur für Reisegruppen mit Booten zugänglich war, aber nun durch den Straßenanschluss auch von Einzelreisenden besucht werden kann. Morgen allerdings werden wir das Auto hier in Sibu stehen lassen, um mit dem Boot den Rejang weiter hinaufzufahren nach Kapit, das immer noch keinen Straßenanschluss hat. Doch auch dort ist die Zeit nicht stehen geblieben.

Nach Fernsehern und Mopeds öffnen nun das Internet und Handys die abgelegenen Dörfer für Einflüsse von außen - auch wenn es mit dem Handy noch nicht überall klappt. Auch wir reisen mittlerweile mit einem Handy mit malaysischer Nummer, was sich als äußerst praktisch erwiesen hat. Vor allem SMS, aber auch Telefonate ins Festnetz nach Deutschland sind damit viel günstiger als von Telefonzellen, die es immer weniger gibt.

Nun hat es aufgehört zu regnen und wir wollen noch einige neue Restaurants in Sibu recherchieren, da uns das Essen in unserem bisherigen Favouriten gestern nicht mehr geschmeckt hat und wir auch mit dem Service nicht zufrieden waren. Wie rasant sich die Welt gerade in diesem Teil der Erde verändert, wird uns Tag für Tag aufs Neue vor Augen geführt. Manchmal ist es erschreckend, manchmal aber auch spannend.

Renate und Stefan

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